„Happy wife, happy life“? Stimmt so nicht, sagt eine neue Studie

Laut einer neuen Analyse ist die Beziehungszufriedenheit von Männern und Frauen gleichermaßen wichtig

Aktualisiert am 14. September 2023
Dorothea Frei

Recherchiert und verfasst von

Dorothea Frei, Fachjournalistin

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Überprüft und editiert von

Nina Nguyen

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Wichtiges im Überblick

Die Annahme, dass die Zufriedenheit der Frau in einer Beziehung entscheidend sei, wurde in einer Studie aus dem Jahr 1983 begründet. Aktuelle Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Beziehungszufriedenheit beider Partner gleichermaßen wichtig ist. Die Studie analysierte über 50.000 Antworten von mehr als 4.000 Personen und betrachtete Beziehungen auf Augenhöhe, wobei sowohl Männer als auch Frauen das Potenzial haben, negative oder positive Muster in ihrer Beziehung zu schaffen oder zu unterbrechen.

  • Ursprüngliche Annahme: Die Zufriedenheit von Frauen in heterosexuellen Beziehungen sei für die Partnerschaft wichtiger als die der Männer.
  • Aktuelle Untersuchungen: Beziehungszufriedenheit beider Partner:innen gleichermaßen wichtig.
  • Analyse: Über 50.000 Antworten von mehr als 4.000 Personen
  • Interdependenztheorie bestätigt: Partner:innen beeinflussen sich gegenseitig gleichermaßen.

Woher stammt die Annahme, dass es in einer Beziehung auf die Zufriedenheit der Frau ankommt?

1983 hatten Forschende im Rahmen einer Studie 16 Paare bei einem Problemlösungsgespräch beobachtet, nachdem diese zuvor anhand eines Fragebogens ihre Zufriedenheit mit der Partnerschaft angegeben hatten.

Die Wissenschaftler:innen stellten fest, dass der Zustand der Beziehung das Verhalten der Frauen im Gespräch beeinflusste. An den Verhaltensweisen der Männer konnten sie keinen Unterschied festmachen.

Aus ihren Beobachtungen zogen die Forschenden den Schluss, dass die Beziehungszufriedenheit von Frauen einen größeren Effekt auf die Beziehung habe als die von Männern.

Als mögliche Erklärung für die „Happy wife, happy life“-Hypothese gilt die Parental-Investment-Theorie. Laut dieser seien Frauen kritischer bei der Partnerwahl, da sie für den Nachwuchs etwa in der neunmonatigen Schwangerschaft einen deutlich höheren Aufwand erbringen müssten. Demnach sei die Bewertung der Beziehung vonseiten der Frauen zwangsläufig bezeichnender für die Prognose der Partnerschaft als die der Männer.

Das Ausgangsmaterial: Welche Daten wurden analysiert?

Abseits erster Anhaltspunkte gibt es bisher nur wenige Studien, welche sich mit der Bedeutung der Beziehungszufriedenheit von Männern und Frauen befassen.

Konkret konnten die Forschenden zwei Blöcke von Untersuchungen ausmachen, die sie in ihre Analyse aufnahmen: Eine Sammlung täglicher Erfassungen von 901 Paaren aus den USA und Kanada sowie eine deutsche Langzeitstudie, bei der 3.405 Paare über fünf Jahre hinweg jährlich befragt worden waren.

Insgesamt berücksichtigten die Forscher:innen mehr als 50.000 Antworten von über 4.000 Personen zur Beziehungszufriedenheit.

Dass die Tests innerhalb zweier verschiedener Zeitintervalle – also von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr – stattfanden, ist insbesondere daher interessant, da es unklar war, ob die potenziell größere Auswirkung der Beziehungszufriedenheit von Frauen sich über eine kürzere oder längere Zeitspanne manifestieren würde. In den hier analysierten Untersuchungen wurden beide Eventualitäten berücksichtigt.

Die Beziehungszufriedenheit beider Partner beeinflusst sich gegenseitig – und zwar in selbem Maße

Wie zufrieden eine Frau oder ein Mann mit der Beziehung waren, beeinflusste in beiden Untersuchungsblöcken sowohl die eigene zukünftige Zufriedenheit als auch die des Partners.

Dabei galt: Die Angaben zur Zufriedenheit von Frauen und Männern waren gleichermaßen zuverlässige Prädiktoren für die Beziehungszufriedenheit am nächsten Tag oder im nächsten Jahr.

Erlebten Männer eine höhere Beziehungszufriedenheit als normalerweise, neigten ihre Partnerinnen außerdem dazu, gleichzeitig eine höhere Beziehungszufriedenheit zu erleben, als sie es üblicherweise taten – und umgekehrt.

Über geschlechtsspezifische Analysen hinaus zeigen die Ergebnisse der Studie, dass die Schwankungen, denen jede Beziehung unterliegt, sich zu Muster verfestigen können. Sowohl Zufriedenheiten als auch Unzufriedenheiten können also länger anhalten und Auswirkungen auf die Beziehungszufriedenheit der Partner am nächsten Tag und im nächsten Jahr haben.

Stärken und Schwächen der Studie

Zu den Stärken der Analyse zählt, dass über 50.000 Antworten von Befragungen an über 4.000 heterosexuellen Paaren über verschiedene Zeiträume ausgewertet wurden.

Allerdings gestaltet sich ein exakter Vergleich der beiden Studienblöcke genau wegen der unterschiedlichen Befragungsintervalle als schwierig. Mit Kanada, den USA und Deutschland beschränkten sich die Forschungen darüber hinaus lediglich auf westliche Länder.

Ein Plädoyer für Beziehungen auf Augenhöhe

Da die Forschenden im Hinblick auf die Auswirkung der Beziehungszufriedenheit keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellen konnten, scheinen die Ergebnisse die Interdependenztheorie zu bestätigen, nach welcher Partner:innen sich gegenseitig stets gleichermaßen beeinflussen.

Damit stellen die Resultate die bisherige Annahme infrage, dass für Beziehungen die Zufriedenheit von Frauen eine größere Rolle spiele und legen einen Fokus auf das partnerschaftliche Miteinander.

„Wir haben festgestellt, dass Frauen Barometer sind. Ihre Wahrnehmung, wie glücklich sie sind, sagt ihre eigenen Erfahrungen in der Zukunft und auch die ihres Partners voraus. Aber wir beobachteten das gleiche Muster bei Männern, und zwar im selben Ausmaß“, fasste Matthew D. Johnson, Professor für Familienwissenschaft der Universität von Alberta, die Befunde in einem Interview mit der kanadischen National Post zusammen.

Könnten die Ergebnisse einen grundlegenden Richtungswechsel bewirken?

In der Vergangenheit habe ein Großteil der Beziehungsforschung sich in sozialen Vorurteilen oder der Betrachtung von Strukturen im Tierreich und deren Vergleich mit menschlichen intimen Bindungen begründet, so Ness Cooper, klinische Sexologin und Therapeutin. Dass die Forschung sich davon wegbewege, sei ein gutes Zeichen.

„Es ist ein gesunder Schritt dahin, beide Partner als gleichwertig zu betrachten, wenn es um die Zufriedenheit in der Beziehung geht, und zu erkennen, dass der Gesamterfolg einer Beziehung nicht von einem Partner abhängt, wenn sie langfristig funktionieren soll“, merkt sie weiter an. Sie hofft darauf, dass die Forschung Paare künftig mehr als Individuen und nicht nur als symbiotische Einheit betrachtet.

Was Paare ganz praktisch aus den Untersuchungen mitnehmen könnten

Setzt man die Schlüsse der Studie in die Praxis um, bedeutet das: Sowohl Frauen als auch Männer haben das Potenzial, in ihrer romantischen Beziehung negative Muster zu schaffen oder zu unterbrechen – und auf der anderen Seite positive Effekte ins Rollen zu bringen.

Als Werkzeuge dafür nennen die Macher:innen der Studie etwa klinische Interventionen, die darauf abzielen, das Bewusstsein beider Partner für Schwankungen in ihrer Zufriedenheit zu schärfen. Somit könnte man beide Seiten dazu befähigen, ihre Frustrationen einzudämmen und zu bewältigen. Gleichzeitig könnten Männer wie Frauen dabei lernen, wie sie entsprechende Mechanismen für sich nutzen könnten, wenn es in der Beziehung gut liefe.

„Viele Paare bleiben in der Differenzierungsphase stecken, in der das Verständnis füreinander als einzigartige Persönlichkeiten verloren gehen kann“, merkt Sexologin und Therapeutin Cooper an. Dies könne wiederum dazu führen, dass man sich bei Konflikten und Problemen festfahre. Erhöht werden könne die Beziehungszufriedenheit, indem Paare unterstützt würden, sich sowohl als Individuen als auch als Paar in gesunder Weise durch die Entwicklungsphasen ihrer Beziehung zu bewegen.

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