Stress wirkt sich auf die Partnerschaft aus und verstärkt Negatives

Ein Forscherteam untersuchte, wie sich Stress, der nicht direkt aus der Beziehung selbst stammt, auf Partnerschaften auswirkt.

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Auf einen Blick

  • 79 frisch verheiratete Paare dokumentierten 10 Tage lang, wie sie das Verhalten ihres Partners bzw. ihrer Partnerin wahrnahmen.
  • Die Studie zeigt, dass stressige Alltagsumstände die Wahrnehmung des Partners/der Partnerin verändern.
  • Personen, die bspw. Stress im Job oder finanziellen Druck erlebten, fiel häufiger auf, wenn sich ihr Partner oder ihre Partnerin rücksichtslos verhielt.
  • Insbesondere länger anhaltende belastende Lebensumstände können zu einer Wahrnehmungsverzerrung führen: Negatives wird dann stärker wahrgenommen als Positives.
  • Die Beziehungsexpertin Tina Fey erklärt, wie Paare besser mit stressigen Situationen umgehen und ihre Beziehung schützen können.

Es gibt viele Faktoren, die zur Stabilität und Erfüllung einer Beziehung beitragen, wie zum Beispiel Persönlichkeitsmerkmale und Kommunikation.

Doch eine wichtige, oft übersehene Komponente sind äußere Umstände, die das Leben von Paaren beeinflussen.

In diesem Zusammenhang hat die Forscherin Lisa Neff von der University of Texas untersucht, wie sich äußere Stressfaktoren, die nicht direkt aus der Beziehung resultieren, auf eine Partnerschaft auswirken können.

Wie wirkt sich Stress auf eine Partnerschaft aus?

Eine kürzlich im Fachmagazin Social Psychological and Personality Science veröffentlichte Studie von Neff untersuchte speziell, wie sich Probleme bei der Arbeit, Auseinandersetzungen mit Familienmitgliedern oder Freund:innen sowie finanzieller Druck auf das Verhalten von frisch verheirateten Paaren auswirken.

Die Studie wurde mit 79 heterosexuellen Paaren durchgeführt, die weniger als 6 Monate verheiratet waren und keine Kinder hatten. Die Männer waren durchschnittlich 28 Jahre alt, die Frauen 26 Jahre.

79 frisch verheiratete Paare wurden befragt

Die Proband:innen der Studie wurden vor Beginn der Studiendurchführung mittels eines Fragebogens auf belastende Ereignisse in ihrem Leben untersucht.

Anschließend füllten die 79 frisch verheirateten Paare zehn Tage lang jeden Abend einen Fragebogen aus, in dem sie ihre täglichen Probleme und das Verhalten ihres Partners bzw. ihrer Partnerin dokumentierten.

Das zeigen die Studienergebnisse

Die Analyse der Fragebögen ergab, dass Menschen, die im Alltag mit stressigen Umständen wie Jobproblemen, finanziellen Schwierigkeiten oder Konflikten mit ihrer Familie oder Freund:innen konfrontiert sind, häufiger bemerken, wenn ihr Partner oder ihre Partnerin rücksichtslos handelt.

Darüber hinaus tendierten sie dazu, negative Verhaltensweisen des Partners oder der Partnerin, wie z. B. das Brechen eines Versprechens, das Zeigen von Wut oder Ungeduld oder Äußerungen von Kritik gegenüber dem/der Ehepartner:in stärker wahrzunehmen als positive Verhaltensweisen.

Diese Erkenntnisse stehen im Gegensatz zu einer früheren Studie aus dem Jahr 2003, die darauf hinwies, dass glückliche Ehepartner gelegentliche unsensible Verhaltensweisen ihres Partners in der Regel übersehen.

Stress lenkt den Fokus auf das Negative

Wie die Studie zeigt, können stressige Umstände die rosarote Brille trüben – selbst bei Frischvermählten. Denn Stress lenkt die Aufmerksamkeit auf das, was in der Beziehung nicht so gut läuft.

Laut der Wissenschaftlerin bewirkt jedoch ein einziger stressvoller Tag nicht, dass sich die Wahrnehmung des Partners oder der Partnerin von Grund auf verändert.

Allerdings betont sie, dass belastende Lebensumstände, die länger anhalten, zu Wahrnehmungsverzerrungen in einer Beziehung führen können. Störende Verhaltensweisen, die sonst übersehen werden, werden dann stärker wahrgenommen – obwohl der/die Lebenspartner:in überhaupt nichts mit den Stressursachen zu tun hat.

Negatives beeinflusst Beziehungszufriedenheit stärker als Positives

Eine im Jahr 2021 durchgeführte Studie verdeutlicht diese Wahrnehmungsverzerrungen unter anderen Umständen:

Paare, die keine stressigen Lebensumstände erleben, berichten häufiger über Positives in ihrer Partnerschaft. Allerdings haben negative Aspekte einen stärkeren Einfluss auf die Beziehungszufriedenheit, ​​was bedeutet, dass Negatives generell einen größeren Einfluss als Positives hat.

Obwohl es laut Neff möglich ist, dass Paare, die sich der Auswirkungen von Stress bewusst sind, ihr Verhalten entsprechend anpassen und dadurch den Schaden für die Beziehung begrenzen können, bleibt dies bis zur Durchführung weiterer Untersuchungen reine Spekulation.

Darüber hinaus empfiehlt Dr. Neff, dass zukünftige Forschungen untersuchen sollten, ob die Auswirkungen von Stress bei Paaren, die sich nicht mehr in der Frischvermählten-Phase befinden, noch stärker sind.

Die Tatsache, dass die neue Studie zeigt, dass Stress bereits negative Auswirkungen auf die Beziehungszufriedenheit von Frischvermählten hat, macht deutlich, wie stark die Einflüsse von Stress sein können.

Fokus aufs Negative ist evolutionär bedingt

Tina Fey, Beziehungsexpertin und Gründerin von Love Connection, einer Website rund um das Thema Liebe und Partnerschaft, weist darauf hin, dass die Tendenz, sich auf negative Reize zu konzentrieren, auf unsere evolutionäre Veranlagung zurückzuführen ist.

Sie erklärt, dass es für unsere Vorfahren überlebenswichtig war, potenzielle Bedrohungen und Gefahren in ihrer Umgebung wahrzunehmen.

„Wenn beispielsweise ein Partner oder eine Partnerin viel Stress bei der Arbeit hat und nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommt, bemerkt er oder sie möglicherweise nur, dass das Geschirr nicht richtig weggeräumt wurde. Dabei hat der Partner oder die Partnerin das Abendessen zubereitet und das ganze Haus geputzt.“

„Ob wir es wollen oder nicht – Stress kann unsere Aufmerksamkeit auf potenzielle Probleme lenken. Doch das bedeutet nicht, dass wir nichts gegen diese negative Dynamik in unseren Beziehungen tun können“, meint die Expertin.

Unterschiede zwischen Frauen und Männern

Tina Fey hebt hervor, dass es Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Wahrnehmung von Partner:innen unter Stress gibt: „Frauen suchen oft emotionale Unterstützung bei ihrem Partner, während Männer dazu neigen, den Stress allein zu bewältigen und sich zurückzuziehen.“

Neben dem Stressbewältigungsstil spielen laut der Expertin auch die gesellschaftlichen Erwartungen eine wichtige Rolle.

„Frauen werden beispielsweise oft dazu ermutigt, Beziehungen aufrechtzuerhalten und eine harmonische Atmosphäre zu schaffen, was sie empfindlicher gegenüber negative Verhaltensweisen ihres Partners machen kann. Im Gegensatz dazu verspüren Männer mehr Druck, ihre Autorität und Autonomie zu wahren und reagieren empfindlicher auf Verhaltensweisen, die diese in Frage stellen“, erläutert Fey.

„Natürlich gelten diese Unterschiede nicht für alle Männer und Frauen. Auch individuelle Unterschiede, wie Persönlichkeitsmerkmale und Erfahrungen, können ebenfalls eine Rolle spielen.“

Darüber hinaus erwähnt Fey, dass sowohl Männer als auch Frauen in Beziehungen negative Verhaltensweisen wahrnehmen. Jedoch scheinen die kritischen Äußerungen von männlichen Partnern einen stärkeren Einfluss auf ihre Partnerinnen zu haben.

Diese Kritik kann das Selbstwertgefühl der Frauen beeinträchtigen und ihre positive Wahrnehmung der Beziehung beeinflussen.

Welche Strategien können Paare nutzen?

Tina Fey betont, dass Stress ein natürlicher und unvermeidlicher Teil des Lebens ist. Dennoch sei es wichtig, wirksame Bewältigungsstrategien zu entwickeln, um mit Stress umzugehen, wenn er doch auftritt.

Darüber hinaus erfordern Beziehungen kontinuierliche Anstrengungen und Investitionen – insbesondere in Zeiten von Stress.

Damit du besser mit stressigen Situationen umgehen und deine Beziehung schützen kannst, empfiehlt die Beziehungsexpertin Folgendes:

1. Grenzen setzen

Eine wichtige Maßnahme ist es, gesunde Grenzen zu setzen. Einerseits, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Entspannung zu fördern und andererseits, um zu verhindern, dass es zu einem Burnout kommt.

Du und dein:e Partner:in könnt beispielsweise

  • Zeit für die eigenen Bedürfnisse und Selbstfürsorge einräumen,
  • eure Arbeitszeiten begrenzen und
  • andere Verpflichtungen reduzieren, wenn ihr euch überfordert fühlt.

2. Problemlösungsstrategien

Es kann euch auch helfen, gemeinsam eure spezifischen Stressfaktoren zu identifizieren und einen Plan zur Bewältigung zu entwickeln. Auf diese Weise könnt ihr Probleme leichter lösen. Gleichzeitig stärkt ihr so das gegenseitige Verständnis füreinander und verbessert eure Zusammenarbeit als Team.

3. Aktive Kommunikation

Nicht zuletzt ist aktive Kommunikation ein entscheidender Faktor. Es geht nicht nur darum, miteinander zu sprechen, sondern auch darum, sich aktiv zuzuhören, Einfühlungsvermögen und Verständnis zu zeigen und Schuldzuweisungen zu vermeiden.

Die individuelle Resilienz spielt eine wichtige Rolle

Die individuelle Resilienz (Widerstandsfähigkeit) spielt laut der Beziehungsexpertin ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Stressbewältigung:

„Resiliente Menschen sind grundsätzlich besser in der Lage, mit stressigen Umständen umzugehen. Außerdem erfährt man ein Gefühl der Vertrautheit, wenn man weiß, dass man stressige Situationen bewältigen kann. Das kann die Auswirkungen von Stress auf eine Beziehung minimieren.“

Um widerstandsfähiger gegen Stress zu werden, gibt es verschiedene Fähigkeiten, die entwickelt werden können.

Dazu gehören:

  • Die Fähigkeit, seine Emotionen zu kontrollieren und angemessen auszudrücken.
  • Die Fähigkeit, Herausforderungen anzugehen und konstruktive Lösungen zu finden, anstatt sich von ihnen überwältigen zu lassen.
  • Die Fähigkeit, mit Widrigkeiten umzugehen, sich an Veränderungen anzupassen und sich von Rückschlägen zu erholen.

Unterstützung und Selbstfürsorge machen resistenter gegen Stress

Freunde und Familie, die unterstützend zur Seite stehen, können ebenfalls dazu beitragen, die Resilienz zu fördern. Wenn man weiß, dass man ein soziales Umfeld hat, das man in schwierigen Zeiten um Hilfe oder Rat bitten kann und hilft, die Gedanken und Gefühle zu ordnen, kann dies die Auswirkungen von Stress erheblich reduzieren.

Fey hebt hervor, dass es wichtig ist, um Hilfe zu bitten, wenn man Unterstützung und Lösungen benötigt. Oftmals treten Probleme erst auf, wenn man versucht, Stress alleine zu bewältigen und in Grübeleien versinkt, ohne die Auswirkungen auf den Partner oder die Partnerin zu berücksichtigen.

Eine optimistische Einstellung, positive Denkgewohnheiten sowie Selbstfürsorgeaktivitäten wie Bewegung und Meditation können ebenfalls dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen.

Wahrnehmung positiver Aspekte stärken

Eine weitere wichtige Strategie ist laut der Beziehungsexpertin die Stärkung der Wahrnehmung positiver Aspekte in einer Beziehung.

Um den Fokus auf das Positive zu stärken, empfiehlt Tina Fey folgende 3 Strategien:

1. Dankbarkeit

Tägliche Dankbarkeitsübungen können euch dabei helfen, eure Wertschätzung füreinander zu zeigen. Nehmt euch jeden Tag einen Moment Zeit, um einander etwas zu sagen, die ihr an der anderen Person anderen schätzt. Das kann zum Beispiel etwas sein, was er/sie für dich getan hat oder etwas an seiner/ihrer Persönlichkeit, das du bewunderst.

2. Positives Feedback

Gib deinem/deiner Partner:in regelmäßig positives Feedback und Komplimente für seine/ihre Leistungen. Danke ihm/ihr für Dinge, die er/sie für dich getan hat. Durch diese positiven Rückmeldungen kannst du eine unterstützende und liebevolle Atmosphäre in deiner Beziehung schaffen.

3. Achtsamkeit

Nehme dir gemeinsam mit deinem/deiner Partner:in Zeit für Achtsamkeitsübungen. Achtsamkeit – das Wahrnehmen des gegenwärtigen Moments – hilft euch, Stress zu reduzieren und eine tiefere Verbundenheit zwischen euch beiden zu schaffen. Fokussiert euch auf beispielsweise auf euren Atem oder führt Körper-Scans durch, indem ihr euch auf jede Körperregion konzentriert und achtsam wahrnehmt, wie sich eurer Körper anfühlt.

Fazit: Durch aktive Maßnahmen können wir eine starke Verbindung aufrechterhalten

Wie die neuen Studienergebnisse zeigen, kann sich Stress nachteilig auf Beziehungen auswirken.

Wenn man sich gestresst fühlt, ist es wahrscheinlicher, dass man die negativen Verhaltensweisen des Partners bemerkt und die Toleranz gegenüber diesen geringer ist. Die positiven Verhaltensweisen und Eigenschaften werden unter diesen Umständen oft vergessen. Das kann Meinungsverschiedenheiten und Streit verursachen.

Wenn wir uns bewusst sind, dass unser Leben durch schwierige Ereignisse belastet wird, haben wir die Möglichkeit, aktiv gegen diese Belastungen anzugehen. Eine Möglichkeit besteht darin, uns auf die positiven Eigenschaften unseres Partners zu konzentrieren, um mit den Herausforderungen besser umgehen zu können und die Beziehung zu stärken, anstatt die Spannungen und den Stress weiter zu verschärfen.

Besonders in der Paardynamik ist es wichtig, gesunde Kommunikationsfähigkeiten zu entwickeln und realistische Erwartungen zu setzen. Wenn Paare ein gemeinsames Gefühl für Sinn und Ziele in der Beziehung haben und geduldig miteinander sind sowie Verständnis füreinander zeigen, können sie gemeinsam Herausforderungen bewältigen und ihre Resilienz stärken, wie die Beziehungsexpertin Tina Fey es ausdrückt.

Expertin in diesem Artikel

  • Tina Fey, Beziehungsexpertin und Gründerin von Love Connection

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