Vor allem Männer versuchen sich im Job nach oben zu flirten, zeigt eine neue Studie
Ein Gegenentwurf zum Klischee der flirtenden Sekretärin
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Ein Gegenentwurf zum Klischee der flirtenden Sekretärin
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Bisher ging man davon aus, dass sexualisierte Verhaltensweisen im Job vor allem dann auftreten, wenn eine Person in einer übergeordneten Machtposition ihre Position ausnutzt. Mit ihren Ergebnissen könnte die vorliegende Untersuchung nun einen Gegenentwurf liefern.
Konkret wurde bei der Studie untersucht, inwiefern Ziele auf der vertikalen Ebene in Verbindung zu sexualisierten Verhaltensweisen am Arbeitsplatz stehen könnten.
Zwischenmenschliche Beziehungen lassen sich unter anderem in eine vertikale und eine horizontale Dimension einteilen. Verhalten auf der vertikalen Dimension zielt auf Selbstverbesserung und somit auf extrinsische Ziele wie Macht, Leistung und Image ab. Auf der horizontalen Ebene spielen Ziele der sogenannten Selbsttranszendenz eine Rolle – also intrinsische Ziele wie etwa das Streben nach Zugehörigkeit und Wohlwollen.
Wissenschaftler:innen der Universität von Kalifornien, der Vanderbilt Universität und der Universität von New York führten insgesamt sechs Studien mit insgesamt knapp 2.600 Proband:innen durch, um Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Machtstrukturen und sexualisierten Verhaltensweisen am Arbeitsplatz zu erhalten.
So wurden die Proband:innen in einer der Untersuchungen etwa auf ein Online-Kennenlerngespräch mit einem Teammitglied des anderen Geschlechts vorbereitet und vor die Wahl gestellt, welche der folgenden beiden Fragen sie der Person stellen wollten: Eine Frage dazu, ob das Gegenüber jemals einen Konflikt am Arbeitsplatz erlebt hatte oder dazu, ob die andere Person jemals eine Beziehung am Arbeitsplatz hatte.
Dabei beobachteten die Forschenden, dass Männer eher dazu tendierten, Fragen mit einem sexuellen Kontext zu initiieren. Ob die Männer die grenzüberschreitende Frage stellten, hing damit zusammen, wie hoch sie ihren eigenen Sex-Appeal einschätzen.
In einer weiteren der insgesamt sechs Untersuchungen wurde mehr als 200 Proband:innen mitgeteilt, dass in einem angrenzenden Raum eine andere Person auf sie wartete, mit der sie später Aufgaben bearbeiten würden.
Die Teilnehmenden wurden gebeten, zuvor eine Reihe an schriftlichen Aufgaben zu erfüllen, bei denen sie unter anderem Angaben über ihr Geschlecht, ihre Lebensziele und ihre Attraktivität machen mussten. Auf Basis der Ergebnisse würde ihnen in dem späteren Szenario entweder die Rolle als Boss oder als „Untergeordneter“ zugeteilt.
In Wirklichkeit wurden die Rollen innerhalb der Zweier-Teams rein zufällig zugewiesen. Beim Gegenüber handelte es sich jedoch stets um eine Person des anderen Geschlechts.
Nachdem die Proband:innen über die Zuteilung und die Hierarchie informiert worden waren, sollten sie ähnlich wie im ersten Experiment wählen, welche der beiden Fragen sie der ihr zugeteilten Person stellen wollten. Tatsächlich trafen sie die andere Person aber niemals persönlich, um unangenehme Situationen zu vermeiden.
Das Ergebnis: Männer, die einer Frau unterstellt sein sollten, entschieden sich häufiger für die sexuelle Frage als alle anderen drei Gruppen – also sowohl die der männlichen und weiblichen Bosse als auch die der weiblichen Untergebenen.
Infolge der Auswertung aller sechs Untersuchungen kamen die Forschenden zu folgenden Ergebnissen:
Inwiefern die Ausprägung von sexualisierten Verhaltensweisen je nach sexueller Orientierung womöglich variiert, konnte mit der vorliegenden Studie nicht erfasst werden, da es sich um eine überwiegend heterosexuelle Stichprobe handelte.
Interessant wäre es für zukünftige Forschungen, die soziosexuelle Ausrichtung mit zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich um eine Variable, welche beschreibt, zu welchem Ausmaß jemand an unverbindlichem Sex interessiert ist.
Die Ergebnisse der Untersuchung legen nahe, dass in sexueller Belästigung durch Männer weniger die enthemmende Wirkung von Macht als vielmehr Machtstreben seinen Ausdruck finden könnte.
Konkret versucht eine Person mit geringerer Macht dabei eine andere mit mehr Macht zu manipulieren, um ihr eigenes Machtgefühl zu stärken.
Die Forschenden kommen zum Schluss, dass der Wunsch nach Macht die Sexualität – und damit den intimsten Bereich menschlichen Verhaltens – korrumpiere, indem diese genutzt werde, um den eigenen Einfluss in menschlichen Beziehungen zu erhöhen.
Frühere Forschungen hatten bereits gezeigt, dass das Einbringen von sexualisierten Verhaltensweisen in einem Verhandlungskontext Macht signalisieren könnte. Allerdings zeigt die vorliegende Studie laut den Forschenden erstmals, dass Männer gegenüber Frauen in höheren Positionen diesen Effekt für den Versuch nutzten, um ihren Einfluss zu vergrößern.
Gleichzeitig betont Laura Kray, eine der Studienautorinnen, dass vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Untersuchung keinesfalls die Relevanz der Belästigung durch übergeordnete Personen infrage gestellt werden dürfe. Tatsächlich seien sexualisierte Verhaltensweisen vonseiten übergeordneter Personen besonders perfide, da diese als eine Gegenleistung zu einer Beförderung oder einem anderen Vorteil dargestellt werden könnten.
Für die Zukunft regt Kray an, in Unternehmen Trainings anzubieten, die eine erhöhte Sensibilisierung für problematisches Verhalten am Arbeitsplatz schaffen.
Es sei bemerkenswert, wie die Untersuchung die Selbstwahrnehmung der Personen untersuche, welche am Arbeitsplatz sexualisiertes Verhalten an den Tag legten, merkt Soziologin und Sexologin Sarah Melancon an.
„Wenn wir den Ursachen von sexueller Belästigung, Grenzverletzungen und Gewalt auf den Grund gehen wollen, müssen wir sowohl die Perspektive des Opfers als auch die des Täters verstehen – nicht, weil der Täter recht hat, sondern weil sie einen potenziellen Ansatzpunkt für Interventionen bietet“, gibt sie zu bedenken.
Wichtig sei darüber hinaus zu bemerken, dass es in der Studie nicht nur Männer, sondern auch Frauen waren, die sexualisierte Verhaltensweisen verwendeten. Dies zeige, dass der Stereotyp des Mannes als Täter und der Frau als Opfer die Wirklichkeit in ihrer Komplexität nicht ausreichend widerspiegele.
Spätestens #MeToo hat gezeigt, wie essenziell wichtig es ist, den Umgang mit sexualisierten Themen am Arbeitsplatz näher zu verstehen.
In der Praxis erweist es sich laut Sarah Melancon jedoch als besondere Schwierigkeit, dass einige Menschen sich an sexualisierten Scherzen oder Diskussionen erfreuten, während andere diese Verhaltensweisen als Belästigung auffassen würden. Gleichzeitig müsse klargestellt werden, dass einige Verhaltensweisen eindeutig eine Belästigung darstellen.
Eine mögliche Konsequenz sei es, am Arbeitsplatz unabhängig vom Kontext eine Null-Toleranz-Politik für sexualisiertes Verhalten einzuführen.
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