Wolke sieben oder Herzschmerz: Wie sehr beeinflusst die Liebe unsere Zufriedenheit?
Trennung, Heirat oder Scheidung könnten auf lange Sicht weniger Einfluss haben als gedacht
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Trennung, Heirat oder Scheidung könnten auf lange Sicht weniger Einfluss haben als gedacht
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Ob Wolke sieben, Herzschmerz oder Trennung: Dass der Status unseres Beziehungslebens nicht spurlos an uns vorbeigeht, dürfte kaum jemanden wundern – schließlich gehören romantische Beziehungen zu den intimsten in unserem Leben.
Doch wie sehr beeinflusst unser Liebesglück uns emotional? Welche emotionalen Veränderungen erleben wir dabei und wie lange halten sie an? Mit diesen Fragen beschäftigten sich nun Forschende der HMU Health and Medical University Potsdam und der Humboldt-Universität zu Berlin.
Konkret standen dabei die Zufriedenheit der Proband:innen fünf Jahre vor und nach den folgenden Lebensereignissen im Mittelpunkt:
Als Grundlage für die Studie verwendeten die Wissenschaftler:innen Datensätze des Sozio‑Oekonomischen Panels (SOEP), einer seit 1984 jährlich durchgeführten national repräsentativen Haushaltspanelstudie.
In der Psychologie unterscheidet man zwischen affektivem und kognitivem Wohlbefinden:
Affektives Wohlbefinden beschreibt die Häufigkeit und Intensität von positiven wie negativen Emotionen und Stimmungen.
Dagegen hängt die Bewertung des kognitiven Wohlbefindens – häufig auch als Lebenszufriedenheit bezeichnet – damit zusammen, wie die Qualität des eigenen Lebens auf Basis eigener Bewertungsstandards eingeschätzt wird. Dabei kann es sich etwa um die Zufriedenheit mit der eigenen Ehe oder die grundsätzliche Zufriedenheit mit dem Leben handeln.
In der vorliegenden Studie wurde sowohl das kognitive als auch das affektive Wohlbefinden untersucht, indem die Teilnehmenden nach folgenden Parametern befragt wurden:
Die Set-Point-Theorie bezieht sich ursprünglich auf das Körpergewicht. Sie besagt, dass jeder Körper ein bestimmtes „Wohlfühlgewicht“ hat und immer wieder versuchen wird, zu diesem zurückzukehren. Wissenschaftlich gilt sie allerdings als umstritten.
Im Bereich der Psychologie sagt die Set-Point-Theorie aus, dass jede erwachsene Person über ein bestimmtes Level an Zufriedenheit verfügt, welches nur bedingt veränderbar ist. Das subjektive Wohlbefinden kann sich laut der Theorie zwar zum Positiven wie zum Negativen verändern – allerdings ist der Effekt immer nur vorübergehend.
Das Konzept der Set-Point-Theorie ist eng verwandt mit der sogenannten hedonistischen Tretmühle.
Deren Prinzip: Alle Dinge, die wir zu diesem Zeitpunkt erreicht haben und besitzen, haben uns einmal glücklich gemacht – bis sie es nicht mehr taten. Entsprechend seien Versuche, die Zufriedenheit langfristig zu erhöhen, zum Scheitern verurteilt.
Wie sehr unsere Zufriedenheit sich in Abhängigkeit romantischer Lebensereignisse verändert, oder auch nicht, untersuchten die Forschenden in der vorliegenden Studie.
Als Grundlage für die vorliegende Untersuchung dienten Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Die Informationen für die in Deutschland national repräsentative Haushaltspanelstudie werden überwiegend in persönlichen Interviews, mitunter aber auch in selbst auszufüllenden Web-Interviews erhoben.
2007 wurde im SOEP erstmals auch das affektive Wohlbefinden erfasst. Da zum Zeitpunkt der vorliegenden Untersuchung zuletzt die Ergebnisse von 2019 veröffentlicht worden waren, wurden hier die Daten von 2007 bis 2019 verwendet.
Berücksichtigt wurden außerdem lediglich die Daten von Personen, welche in diesem Zeitraum mindestens eines der angegebenen Beziehungsereignisse erlebt hatten. Um mögliche Veränderungen untersuchen zu können, mussten die Teilnehmer:innen in den fünf Jahren vor und nach dem Ereignis außerdem mindestens zweimal Angaben zu ihrem Wohlbefinden gemacht haben.
Von den insgesamt über 30.000 Personen, die an den Befragungen teilgenommen hatten, blieben somit 8.030 Proband:innen übrig, welche die Voraussetzungen erfüllten.
Die Teilnehmer:innen waren jährlich unter anderem dazu befragt worden, ob sie im Laufe des vergangenen Jahres mit einer Person zusammengezogen waren, geheiratet, sich getrennt oder geschieden hatten.
Außerdem sollten sie angeben, wie zufrieden sie mit ihrem Leben im Allgemeinen waren und wie oft sie sich im Laufe der vergangenen vier Wochen glücklich, traurig, ängstlich oder wütend gefühlt hatten.
Die Angaben der Proband:innen wurden auf einer Skala zwischen 1 (sehr selten) und 5 (sehr oft) verortet.
Untersucht wurden folgende potenzielle Veränderungen des Wohlbefindens:
Faktoren wie Geschlecht und Alter wurden ebenfalls berücksichtigt, um Verzerrungen zu verhindern.
Die Werte für Lebenszufriedenheit und Glück stiegen über die fünf Jahre vor dem Ereignis an und erreichten ein Jahr nach dem Zusammenziehen ihren Höhepunkt. Obwohl das Glück über die Zeit etwas abnahm, blieben die Werte – entgegen des Prinzips der Set-Point-Theorie – auch in den folgenden Jahren überwiegend konstant.
Auch hier stiegen Lebenszufriedenheit und Glück in den fünf Jahren vor dem Ereignis an und der „Honeymoon-Effekt“ sorgte dafür, dass beide Parameter hier ein Jahr nach der Heirat ebenfalls ihren Höhepunkt erreichten. Jedoch gingen diese Effekte wieder zurück. So konnten mehr als ein Jahr später keine erhöhten Werte für Glück und Lebenszufriedenheit mehr festgestellt werden.
Im Vergleich zum Zusammenziehen und zur Heirat waren die in der Studie erfassten Auswirkungen auf das Wohlbefinden bei einer Trennung deutlich stärker.
So nahm die Lebenszufriedenheit in den Jahren vor der Trennung ab und war im ersten Jahr danach erheblich geringer. Zudem erreichte die Traurigkeit ein Jahr nach der Trennung ihren Höhepunkt. Allerdings stieg die allgemeine Zufriedenheit mit dem eigenen Leben danach wieder an, sodass sie fünf Jahre nach der Trennung ähnlich hoch war wie zuvor. Langfristig bestehen blieb ein tendenziell erhöhtes Level an Wut.
Die emotionalen Auswirkungen einer Scheidung waren vergleichbar mit denen einer Trennung, wiesen jedoch ein anderes Timing auf. Speziell begann die Lebenszufriedenheit bereits sechs Jahre vor dem Ereignis abzunehmen und erreichte ein Jahr zuvor ihren Tiefpunkt.
Dafür begann die selbstberichtete Lebenszufriedenheit bereits im Jahr vor der Scheidung anzusteigen – ein Effekt, der sich später weiter fortsetzte. Jedoch stieg das Level an Traurigkeit in den Jahren vor der Scheidung erheblich an und war auch vier Jahre nach dem Ereignis etwas höher als sechs Jahre zuvor.
Das subjektive Wohlbefinden veränderte sich – im Positiven wie im Negativen – bereits in Erwartung eines bestimmten Ereignisses. Entsprechend stiegen depressive und ängstliche Gefühle bereits in den fünf Jahren vor einer Scheidung substanziell an.
Der Effekt könnte nicht nur in Erwartung, sondern auch in der Folge konkreter Ereignisse auftreten. So wie etwa der Heirat durch Verlobung und Planung verschiedene Ereignisse vorausgehen, könnten zum Beispiel auch Trennungen und Scheidungen ähnliche Vorzeichen aufweisen – wie etwa vermehrte Streits vor einer Trennung.
Für die Set-Point-Theorie spricht etwa, dass Personen laut der Studie fünf Jahre nach einer Trennung zum selben Level von Lebenszufriedenheit gelangten wie fünf Jahre zuvor. Allerdings gab es auch Ereignisse, die in einzelnen Bereichen konsistente Auswirkungen zeigten. So blieb ein erhöhtes Level an Glück – auch wenn es über die Zeit hinweg etwas abnahm – auch Jahre nach dem Zusammenziehen bestehen.
Die Forschenden mutmaßen, dass durch das Zusammenwohnen mit einer anderen Person ein anhaltender positiver Effekt entstehen könnte, da dieses konstante und stabile tägliche Routinen sowie sozialen Austausch und Rückhalt böte.
Insgesamt sehen die Wissenschaftler:innen in den Ergebnissen ihrer Studie jedoch Anhaltspunkte für die Bestätigung der Set-Point-Theorie. So beeinträchtigten größere Beziehungsereignisse das Wohlbefinden langfristig deutlich geringer, als man intuitiv annehmen würde, fasst Co-Autorin Prof. Dr. rer. nat. habil. Asselmann in einem Interview mit der PsyPost zusammen.
„Andere Faktoren – zum Beispiel die Art und Weise, wie wir uns im Alltag verhalten und miteinander umgehen – könnten für dauerhaftes Glück und Zufriedenheit in romantischen Beziehungen und darüber hinaus viel wichtiger sein“, führt die Forschende der HMU Health and Medical University Potsdam weiter aus.
In der vorliegenden Untersuchung konnten aufgrund der Begrenztheit der vorliegenden Daten neben der grundsätzlichen Lebenszufriedenheit nur die Parameter Glück, Unzufriedenheit, Ängstlichkeit und Wut untersucht werden. Für die Zukunft wäre die Erforschung weiterer Merkmale des affektiven Wohlbefindens wie etwa Schuld oder Scham interessant.
Außerdem geben die Forschenden zu bedenken, dass die Daten ausschließlich in Deutschland erhoben wurden und damit womöglich nicht auf alle Länder übertragbar sind. So könnten etwa Heirat und Scheidung in traditionelleren Gesellschaften gravierendere Auswirkungen haben.
Da die Befragung jährlich stattfand, lassen sich aus der Studie nur ungefähre zeitliche Aussagen zum Wohlbefinden ableiten. Es lässt sich also zum Beispiel nicht sagen, ob das Tief nach einer Trennung im Durchschnitt erst nach eineinhalb Jahren oder schon nach einem halben Jahr erreicht war.
Darüber hinaus lässt sich die Auswirkung von Einflüssen, welche das subjektive Wohlbefinden ebenfalls maßgeblich beeinflussen könnten und nicht Teil dieser Studie waren, nicht ausschließen.
Spannend für zukünftige Forschungsprojekte wäre die Frage, ob die Veränderung des affektiven Wohlbefindens auch davon abhängt, ob man bestimmte Ereignisse wie etwa eine Trennung einmal oder mehrmals erlebt.
Außerdem wäre die Untersuchung der näheren Rahmenbedingungen von Interesse – also etwa, ob und inwiefern es das Wohlbefinden beeinflusst, ob Kinder bei der Trennung involviert sind oder nicht.
Für David Tzall, Psychotherapeut mit Praxis in Brooklyn, kommen die Ergebnisse der Studie nicht überraschend. Beweise für die psychische Resilienz des Menschen lieferten demnach unter anderem Forschungen, nach denen „nur“ circa 30 Prozent der Personen, die ein traumatisches Ereignis erleben, später mit einer posttraumatischen Belastungsstörung diagnostiziert würden. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass 70 Prozent der Menschen nach tragischen, emotional belastenden Ereignissen wieder auf die Beine kämen.
Für Tzall liefern die Ergebnisse der Studie eine Bestätigung dafür, dass einzelne Lebensereignisse alleine uns nicht glücklich machen oder alle unsere Probleme lösen können. „Außerdem wird uns ein trauriges Ereignis wie eine Trennung nicht zerstören, auch wenn es sich kurz nach dem Ereignis so anfühlen mag“, fügt der Psychologe an.
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