Seelenverwandte: Gibt es die perfekte Ergänzung für jeden von uns?

Kaum eine Vorstellung ist romantischer als die der Seelenverwandtschaft. Das Konzept dahinter ist einfach: Es gibt da draußen eine Person, die dazu bestimmt ist, deine andere Hälfte zu sein. Nicht nur Musik, Bücher und Filme greifen die Idee der einen wahren Liebe regelmäßig auf. Auch in der realen Welt sehnen sich viele nach ihrer besseren Hälfte – ihrer/ihrem Seelenverwandten.

Im Interview mit Fraulila erklärt Dr. Raffaello Antonino, Psychologe, Psychotherapeut und Dozent an der London Metropolitan University, dass Seelenverwandte eine besondere, spirituelle Verbindung spüren können. „Ihre Verbindung geht über die Essenz ihrer Beziehung hinaus. Sie haben das Gefühl, dass sie etwas Unerklärliches zusammengebracht hat.“

Obwohl es laut Kalley Hartman, Ehe- und Familientherapeutin, keine Forschungsergebnisse gibt, die den Begriff „Seelenverwandtschaft“ als wissenschaftlich definieren, „glauben viele Menschen dennoch, dass Seelenverwandte real sind und sie einen starken Einfluss auf unser Leben haben können.“

In diesem Artikel schauen wir uns das Konzept der Seelenverwandtschaft genauer an, gehen auf die für Attraktivität ausschlaggebenden Faktoren ein, identifizieren mögliche Seelenverwandte und erklären dir, wie auch du deine:n Seelenverwandte:n finden kannst.

Was sind Seelenverwandte?

Die genaue Definition des Begriffs hängt davon ab, wen man fragt. Grundsätzlich sind sich unsere Expert:innen jedoch einig: „Seelenverwandte sind zwei Menschen, die eine tiefe und besondere Beziehung zueinander haben. Diese Verbindung wird in romantischen Beziehungen gesehen, kann aber auch in Freundschaften oder Familienbeziehungen zu finden sein“, kommentiert Kalley Hartman.

Bayu Prihandito, Gründer von „Life Architekture“ und Lebenscoach beschreibt Seelenverwandte als „Menschen, mit denen wir eine tiefe emotionale, intellektuelle und spirituelle Kompatibilität teilen. Diese Verbindung fühlt sich oft intuitiv an und übersteigt alle konventionellen Beziehungsgrenzen.“

Wie erkenne ich meine:n Seelenverwandte?

Hast du das Gefühl, dass du mit einem bestimmten Menschen genau auf der gleichen Wellenlänge bist? Ihr versteht euch blind und wisst immer genau, was der/die andere denkt oder sagen wird? Dann hast du womöglich (d)eine:n Seeleverwandte:n gefunden.

Das Erkennen eines/einer Seelenverwandten ist nicht so einfach wie das Abhaken einer Einkaufsliste. Es geht darum, eine echte Verbindung zu spüren, gepaart mit dem Wunsch, gemeinsam zu wachsen. Laut Bayu Prihandito erkennt man seine Seelenverwandten durch ein Gefühl tiefer Resonanz und gegenseitigen Verständnisses – eine unerklärliche, spirituelle Verbindung.

In unserem 1 × 1 der Seelenverwandtschaft erklären wir dir, auf was es bei der Suche nach (d)einem/(d)einer Seelenverwandten wirklich ankommt.

Gibt es eine wissenschaftliche Grundlage für Seelenverwandtschaft?

„Leider gibt es derzeit keine wissenschaftlichen Untersuchungen, die die Existenz von Seelenverwandten belegen. Das Konzept beruht weitgehend auf persönlichen Überzeugungen und kulturellen Erzählungen“, bedauert Bayu Prihandito.

„Als Psychiater weiß ich, dass es zwar kein definitives „Seelenverwandtschafts“-Gen oder einen Biomarker gibt, aber es gibt Hinweise darauf, dass manche Menschen tiefe bedeutungsvolle Beziehungen entwickeln können. Diese Verbindungen beinhalten oft eine erhebliche emotionale, psychologische und manchmal sogar physiologische Kompatibilität“, kontrastiert Dr. Ryan Sultan, Psychotherapeut, Psychiater und Professor an der Columbia University.

„Manche Menschen passen aufgrund ihrer Persönlichkeit, Werte und Ziele besser zueinander. Eine hohe Kompatibilität mit einer Person kann den Eindruck vermitteln, dass sie ‚füreinander bestimmt‘ sind“, fügt Kalley Hartman hinzu.

Warum ziehen uns manche Menschen mehr an als andere?

„Anziehung kann viele Facetten haben“, beschreibt Bayu Prihandito, eine der wichtigsten: das Aussehen. Wir behaupten gerne, nicht oberflächlich zu sein. Trotzdem können wir unser stark ausgeprägtes visuelles System nicht unterdrücken. Laut einer Studie ist insbesondere der physische Aspekt ausschlaggebend für die Partnerwahl.

Auch der Geruchssinn darf nicht unterschätzt werden. Eine Studie fand heraus, dass ein guter Geruchssinn die Suche nach einem/einer gesunden Partner:in erleichtert, die sexuellen Erfahrungen und die Sicherheit in einer Beziehung verbessert und die Langlebigkeit der Beziehung fördern kann.

Dennoch können wir uns bei der Suche nach unseren Seelenverwandten nicht nur auf körperliche Eigenschaften verlassen. Laut Bayu Prihandito und Kalley Hartman ergibt sich Attraktivität außerdem aus folgenden Punkten:

• Gemeinsame Interessen
• Ähnliche Werte
• Emotionale Kompatibilität
• Gefühle, die die andere Person auslöst
• Unbewusste Faktoren, die mit früheren Erfahrungen zusammenhängen

Sind Seelenverwandte immer romantische Partner:innen? Was ist mit Freund:innen und Familie?

„Ganz und gar nicht! Seelenverwandte können alle sein, die unsere Lebensreise und unser persönliches Wachstum maßgeblich beeinflussen“, schildert Bayu Prihandito. „Man kann sie in allen Arten von Beziehungen finden. Freundschaften und familiäre Beziehungen können ebenso wie romantische Partnerschaften unglaublich tiefgreifend und bereichernd sein“, ergänzt Kalley Hartman.

Auch die Forschung zeigt, dass die für Attraktivität ausschlaggebenden Faktoren nicht nur auf Liebesbeziehungen, sondern auch auf Freundschaften zutreffen. Enge Freund:innen riechen ähnlich (im Vergleich zu Fremden). Wir fühlen uns demnach nicht nur von romantischen Partner:innen, sondern auch von Freund:innen oder Familienmitgliedern – unseren Seelenverwandten – angezogen.

„Egal, ob es sich um eine romantische Beziehung handelt oder nicht, jede Verbindung, die bedeutungsvoll ist und das Beste in beiden Personen zum Vorschein bringt, sollte gepflegt werden. Kenn die Menschen, die einen positiven Einfluss auf dein Leben haben, denn du weißt nicht, wann es sich um eine:n potenzielle:n Seelenverwandte:n handeln könnte“, unterstreicht Kalley Hartman.

Wie viele Seelenverwandte habe ich?

Auch wenn der am weitesten verbreitete Glaube ist, dass es nur eine Person auf der Welt gibt, die dein:e Seelenverwandte:r ist, hängt die Antwort auf diese Frage von der Person ab, die man fragt.

„Die Anzahl der Seelenverwandten, die man haben könnte, ist höchst subjektiv und variiert von Mensch zu Mensch. Manche Menschen können mehrere Personen in verschiedenen Lebensphasen als Seelenverwandte identifizieren, während andere vielleicht gar keine finden“, meint Bayu Prihandito.

Orientiert man sich an der spirituellen Definition, kann man laut Dr. Antonino lediglich eine:n Seelenverwandte:n haben. Die evolutionäre und objektive Sichtweise hingegen geht davon aus, „dass man mehrere Seelenverwandte haben kann, oder besser gesagt, dass man eine Seelenverwandtschaft mit mehreren Menschen eingehen kann.“

Das kleine 1 × 1 der Seelenverwandtschaft

Mit diesen Tipps und Tricks zeigen wir dir, wie du (d)eine/n Seelenverwandte/n schnell erkennen und dich auf eine tiefgründige Verbindung einlassen kannst.

1. Sei präsent und aufgeschlossen

Wenn du präsent und aufgeschlossen bist, ist laut Bayu Prihandito die Wahrscheinlichkeit höher, dass du dich im Reich der Seelenverwandten zurechtfindest. Zudem kannst du dadurch dein Verständnis für diese Art der Verbindung verbessern.

Vergiss dabei jedoch nicht auf die Verbindung zu dir selbst: „Meiner Meinung nach können wir diese tiefen Verbindungen zu unseren Seelenverwandten nur entdecken, wenn wir uns zuerst mit uns selbst verbinden“, hebt Bayu Prihandito hervor.

2. Folge deiner Intuition

Dies ist einer von vielen Fällen, in dem du auf dein Bauchgefühl oder deine Intuition hören solltest. „Achte auf deine Gefühle, wenn du mit anderen Menschen zu tun hast“, rät Kalley Hartman. „Hast du das Gefühl, dass die andere Person deine Seele berührt und mit ihr in Resonanz steht? Dann hast du eventuell (d)eine:n Seelenverwandte:n gefunden.“

3. Spüre eine tiefe Verbindung

Seelenverwandte haben oft das Gefühl, dass sie ein unausgesprochenes Übereinkommen und Verständnis füreinander haben. Die Verbindung ist tief, mitunter nonverbal und konstant.

„Wenn du eine unausgesprochene Verbindung mit einer Person spürst, die du nicht wirklich erklären kannst, könnte das ein Signal sein, dass du (d)eine:n Seelenverwandte:n gefunden hast“, meint Dr. Antonino.

4. Achte auf dein Wohlbefinden in seiner/ihrer Nähe

Wenn du dich zu jemandem stark hingezogen fühlst und ihr eine unerklärliche Verbindung spürt, „entsteht meist ein intensives Gefühl der Geborgenheit und Akzeptanz. Es fühlt sich so an, als würdest du die Person schon lange kennen, auch wenn ihr euch gerade erst kennengelernt habt“, verdeutlicht Dr. Sultan.

„Es ist typisch für uns, dass wir im Laufe des Lebens verschiedene Masken aufsetzen, je nach den Umständen. Du setzt etwa bei der Arbeit eine Maske auf und eine andere, wenn du unter Freund:innen bist“, kommentiert Dr. Antonino. „Dann findest du plötzlich jemanden, bei dem du dich wohlfühlst und ganz du selbst sein kannst, ohne eine Maske aufsetzen zu müssen.“

5. Du möchtest wachsen

Wenn du (d)eine:n Seelenverwandte:n findest, löst das nicht nur ein Gefühl tiefer Vertrautheit und Geborgenheit aus. Ihr möchtet euch gemeinsam weiterentwickeln und voneinander lernen. Laut Dr. Antonino sind Seelenverwandte demnach Personen, die sich gegenseitig unterstützen, hinter einander stehen und mit denen du gemeinsam wachsen kannst.

Kritik an der Theorie der Seelenverwandtschaft

„Da es keine wissenschaftlichen Beweise für ihre Existenz gibt, bestreiten viele Menschen den spirituellen, mystischen Aspekt des Seelenverwandtschaftskonzepts. Zudem neigen wir – in einer Zeit, in der wir sexuelle Vorlieben und romantische Freiheiten (eher) akzeptieren – dazu, das Konzept der Seelenverwandtschaft zu ignorieren und es als altes Klischee zu betrachten“, schildert Dr. Antonino.

Kalley Hartman erklärt, dass „manche Menschen glauben, dass Seelenverwandte vorbestimmt sind und man nichts dagegen tun kann. Andere argumentieren, dass die Vorstellung von Seelenverwandten einen Mangel an freiem Willen impliziert, als ob wir keine Kontrolle über unser Schicksal oder unsere Bestimmung hätten.“

Laut Psychologieexperte Bayu Prihandito ist die Kontroverse rund um die Seelenverwandtschaft auf ihre sehr subjektive Natur zurückzuführen. „Während die einen an eine vorherbestimmte, perfekte Verbindung glauben, betrachten die anderen Seelenverwandte als ein romantisches Idealismuskonstrukt, das möglicherweise zu unrealistischen Beziehungserwartungen führen kann.“

Fazit: Real oder nicht – Seelenverwandte nehmen viele Formen an

Während man bei Seelenverwandten schnell an Liebespaare denkt, fällt oft erst bei genauerer Betrachtung auf, dass Seelenverwandte nicht immer romantischer Natur sein müssen. Zudem solltest du dich nicht darauf versteifen, die eine wahre Person zu finden.

„Wir entwickeln uns im Laufe unseres Lebens weiter. Deswegen kann sich auch der Typ Menschen, der ‚perfekt‘ zu uns passt, verändern“, meint Dr. Sultan. Je nach Lebensphase können unsere Seelenverwandten also andere Formen annehmen – Liebespartner:innen, Freund:innen oder Familienmitglieder sein.

„Wir können mit einer beliebigen Anzahl von Menschen hochgradig kompatibel sein. Es liegt an den Personen in der Beziehung, eine tiefe Verbindung aufzubauen und eine starke Bindung aufrechtzuerhalten. Das Wichtigste ist, offenzubleiben und auf der Suche nach sinnvollen Verbindungen im Leben deiner Intuition zu folgen“, schließt Kalley Hartman das Interview.