Forschende haben Strategie gefunden, um die Lust aufs Fremdgehen zu reduzieren

In 3 Experimenten wurde untersucht, ob die Perspektivenübernahme eine wirksame Strategie gegen das Fremdgehen ist.

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Auf einen Blick

  • Israelische Wissenschaftler:innen untersuchten, ob sich das Interesse am Fremdgehen reduziert, wenn man sich in seine:n Partner:in hineinversetzt und nachfühlt, wie er/sie sich bei einem Seitensprung fühlen würde.
  • Die Ergebnisse zeigen, dass eine Perspektivenübernahme das sexuelle Interesse an anderen Personen verringert.
  • Gleichzeitig nimmt das Verlangen nach dem/der aktuellen Partner:in zu, wenn man sich in ihn/sie hineinfühlt.
  • 2 Expert:innen verraten ihre besten Tricks fürs Treu bleiben.

Du befindest dich in einer monogamen Beziehung und bist eigentlich glücklich mit deinem Partner oder deiner Partnerin, fühlst dich aber sexuell zu anderen Personen hingezogen?

Du fühlst dich manchmal versucht, fremdzugehen, möchtest aber auf keinen Fall dein Beziehungsglück für ein kurzes Vergnügen aufs Spiel setzen und deine:n Partner:in verletzen?

Obwohl Forschungsprojekte zeigen konnten, dass einige Menschen in Beziehungen automatische Schutzreaktionsweisen aufweisen, wenn sie auf eine attraktive Person treffen, um ihre Partnerschaft nicht für einen Seitensprung zu riskieren, machen andere Studienergebnisse deutlich, dass Untreue durchaus sehr häufig in Partnerschaften vorkommt.

Automatische Schutzmechanismen, wie etwa das Ignorieren oder Herabsetzen der Attraktivität anderer Personen sind nicht immer erfolgreich.

Doch was kann man konkret tun, um bei der Begegnung mit einer attraktiven Person der Versuchungen zu widerstehen?

Forschende haben eine Strategie für das Treu bleiben gefunden

Die Ergebnisse einer neuen Studie aus Israel zeigen, dass es durchaus eine effektive Strategie gibt, die dir helfen kann.

Das Forscherteam untersuchte, wie sich die Wahrnehmung einer attraktiven fremden Person verändert, wenn man sich in seine:n Partner:in hineinversetzt und nachfühlt, was er/sie denken und fühlen würde, wenn man fremdgeht und ob eine Perspektivenübernahme einen Seitensprung verhindern kann.

Die Studie teilte sich in 3 Experimente, an denen jeweils rund 110 Männer und Frauen im Alter von 20 bis 40 teilnahmen. Die Studienteilnehmenden befanden sich zum Zeitpunkt der Studie in einer monogamen gemischtgeschlechtlichen Beziehung, die zwischen 4 Monaten und 12 Jahren bestand.

Das erste Experiment

Im ersten Experiment wurde untersucht, ob die Perspektivenübernahme das Interesse an anderen attraktiven Personen reduziert. Hierfür sollten die Studienteilnehmenden einen Tag im Leben ihres Partners bzw. ihrer Partnerin beschreiben, wobei sie entweder die Perspektive ihres Partners einnahmen oder keine zusätzlichen Anweisungen erhielten.

Anschließend bewerteten die Teilnehmenden Fotos von mehreren fremden Personen und sollten angeben, ob die abgebildete Person als potenzielle:r Partner:in infrage kommen würde. Das romantische (und sexuelle) Interesse an alternativen Partner:innen wurde anhand der Anzahl der Fotos ermittelt, die als potenzielle Partner in Betracht gezogen wurden.

Das zweite Experiment

Im zweiten Experiment wurde untersucht, ob die Perspektivenübernahme auch dazu beiträgt, dass der/die Partner:in mehr begehrt wird.

Zu diesem Zweck sollten sich die Teilnehmer:innen wie im ersten Experiment in ihre:n Partner:in hineinversetzen. Anschließend unterhielten sie sich per Videochat mit einem oder einer attraktiven Interviewer:in.

Nach dieser Interaktion wurden die Studienteilnehmenden zu ihrem sexuellen Interesse an dem oder der Interviewpartner:in befragt und sollten die Bindung, die sie zu ihrem derzeitigen Partner oder ihrer Partnerin verspüren, beschreiben.

Das dritte Experiment

Im dritten Experiment wurde das zweite wiederholt und erweitert. Um das sexuelle Interesse an alternativen Partner:innen zu messen, sollten sich die Studienteilnehmenden eine Szene vorstellen, in der ihr:e Partner:in herausfand, dass sie in eine leidenschaftliche Affäre mit einer attraktiven Person verwickelt waren. Die Teilnehmer:innen nahmen dabei entweder die Perspektive ihres Partners bzw. ihrer Partnerin ein oder nicht.

Anschließend wurden sie gebeten, eine sexuelle Fantasie mit einer fremden Person zu beschreiben, da diese auf unerfüllte Wünsche und Sehnsüchte deuten kann. Zudem sollten sie ihr sexuelles Verlangen nach dem eigenen Partner bzw. der Partnerin bewerten.

Das sind die Ergebnisse der Studie

Alle drei Experimente zeigen, dass die Übernahme der Perspektive des aktuellen Partners bzw. der Partnerin die Bindung und das Verlangen nach ihm/ihr erhöht. Gleichzeitig nimmt das sexuelle und romantische Interesse an anderen Personen ab.

  1. Im ersten Experiment verringerte die Übernahme der Partnerperspektive das romantische (und sexuelle) Interesse der Teilnehmenden an anderen attraktiven Personen.
  2. Das zweite Experiment zeigte, dass die Übernahme der Perspektive des Partners bzw. der Partnerin nicht nur das Interesse an alternativen Partner:innen beeinflusste, sondern auch die Bindung an den/die aktuelle:n Partner:in erhöhte.
  3. Im dritten Experiment verringerte die Übernahme der Partnerperspektive das sexuelle Interesse an alternativen Partnern und löste zudem eine beziehungsschützende Reaktion aus.

Perspektivenübernahme – das Geheimnis einer stabilen Beziehung?

Die Studienautor:innen erklären, dass durch eine bewusste Perspektivübernahme besser verstanden wird, wie verletzend das eigene Verhalten sein kann. Auf diese Weise fällt es leichter, “attraktiven Versuchungen” standzuhalten und die Beziehung nicht aufs Spiel zu setzen.

Die israelischen Forschenden heben hervor, dass durch die Perspektivenübernahme die Bedürfnisse und Wünsche des/der anderen besser verstanden werden. Dadurch können sich sämtliche Interaktionen in der Partnerschaft verbessern – unabhängig davon, ob Probleme in der Beziehung bestehen oder nicht.

Sich in den/die Partner:in hineinzuversetzen ist insbesondere in Situationen hilfreich, in denen das eigene Verhalten ihn oder sie verärgern kann.

Eine bewusste oder eine unbewusste Strategie?

In Situationen, die die Beziehung gefährden können, bspw. wenn man versucht ist, fremdzugehen, kommt es zu einem inneren Konflikt. Gibt man der Verlockung einer attraktiven Alternative nach oder entscheidet man sich dafür, die aktuelle Beziehung aufrechtzuerhalten?

Wie die Ergebnisse der Studien zeigen, kann dieser innere Konflikt gelöst werden, indem länger über die Situation nachgedacht und die Perspektive des Partners übernommen wird, statt kurzfristigen Vergnügungen nachzugeben.

Ob die daraus resultierende Abwertung der “attraktiven Alternative” eine bewusste Entscheidung ist, die zur Aufrechterhaltung der Beziehung dient oder eher eine Abwehrstrategie darstellt, die weitgehend unbewusst stattfindet, ist ein Thema für künftige Forschungen.

Die Studienergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen

Die Studienergebnisse sind allerdings nicht ganz lupenrein und daher mit Vorsicht zu genießen. Bei der Studie wurden nämlich keine direkten Interaktionen mit attraktiven Personen untersucht. Den Studienteilnehmer:innen wurden Fotos von attraktiven Personen gezeigt, zudem wurden sie dazu angeregt, sich bestimmte Szenarien vorzustellen, in denen sie mit diesen Personen interagierten.

Hinzu kommt, dass die Studie während der Covid-Pandemie über Zoom und nicht in einer kontrollierten Umgebung im Labor durchgeführt wurde. Die Forschenden konnten daher nicht angemessen kontrollieren, ob der Partner oder die Partnerin während der Durchführung des Experiments anwesend war und Einfluss darauf hatten, wie die Teilnehmenden auf die attraktiven Fremden reagierten.

Man kann davon ausgehen, dass eine Interaktion von Angesicht zu Angesicht eine größere Herausforderung treu zu bleiben darstellen könnte. Die Übernahme der Perspektive des Partners bzw. der Partnerin ist also womöglich nicht DER Schlüssel für eine stabile und erfüllende Beziehung, aber bestimmt ein wichtiger Baustein.

Wirkt die Perspektivübernahme längerfristig?

Weiterhin lassen die Studienergebnisse keine Aussagen darüber zu, ob die Perspektivübernahme längerfristige Auswirkungen hat. Bleibt das Desinteresse an alternativen Sexualpartner:innen über die Situation hinaus bestehen und verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass man untreu wird?

Künftige Studien sollten sich mit dieser Möglichkeit befassen und dabei längere reale Interaktionen mit attraktiven alternativen Partnern beobachten.

Dabei sollte auch beachtet werden, dass Interaktionen mit attraktiven Personen nicht per se dazu führen, dass man sich auf eine Affäre einlässt. Einige Menschen haben ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung. Außerdem kann es eine Rolle spielen, ob man frisch zusammen ist oder die Partnerschaft bereits seit vielen Jahren besteht.

Es wäre interessant, eine Studie mit Personen, die dazu neigen, sich auf Affären einzulassen (z. B. Personen mit stark vermeidenden oder narzisstischen Partnern) durchzuführen und herauszufinden, ob durch die Perspektivenübernahme die Aufmerksamkeit auf den/die aktuelle:n Partner:in gelenkt wird und das sexuelle Verlangen sowie die emotionale Bindung zwischen den Partnern intensiviert wird.

Deutet ein sexuelles Interesse an anderen auf Beziehungsprobleme?

Wir haben uns gefragt, ob ein sexuelles Interesse an anderen Personen auf Unstimmigkeiten oder Probleme in der Beziehung hindeuten könnte und haben darüber mit einer Expertin gesprochen. Dr. Danielle McGraw, klinische Psychologin, Beziehungsexpertin und Inhaberin von Flourish Mental Wellness in Arizona meint:

„Ganz und gar nicht. Es ist eine biologische Reaktion des Menschen, andere Personen körperlich anziehend zu finden. Das deutet nicht unbedingt auf Probleme in einer Partnerschaft hin. Allerdings ist es nicht hilfreich, wenn man vergleicht, wie attraktiv die andere Person ist und wie unattraktiv der/die Partner:in ist.“

„Oft handelt es sich hier um eine klassische ‘Das Gras ist auf der anderen Seite immer grüner’-Situation. Wir konzentrieren uns nur auf die positiven Eigenschaften der anderen Person und nicht auf die negativen, die es gibt, und vergleichen sie mit den negativen Eigenschaften unseres Partners oder unserer Partnerin und ignorieren die positiven“ , erklärt die Psychologin.

Hier sei es äußerst wichtig, das Gesamtbild zu sehen und nicht nur das, was wir in dem Moment betrachten wollen.

Welche Strategien helfen gegen das Fremdgehen?

In unserem Interview mit der Beziehungsexpertin wollten wir außerdem erfahren, ob sie andere wirksame Strategien als die Perspektivenübernahme kennt, die uns vom Fremdgehen abhalten.

Dr. Danielle McGraw antwortet: „Es gibt viele Strategien. Ein häufiges Problem, das zur Untreue führt, ist die mangelnde Verbindung zwischen zwei Partner:innen. Wenn wir unsere:n Partner:in zum ersten Mal kennenlernen, interessieren wir uns für alles an ihm/ihr. Wir lernen seine/ihre innere Welt kennen, erfahren von seinen/ihren Hoffnungen und Träumen, Hobbys und Zielen und finden das alles ganz toll.“

„Mit der Zeit gewöhnen wir es uns ab, unsere:n Partner:in näher kennenzulernen und wir führen nicht mehr die gleichen Gespräche wie am Anfang. Nach 10 Jahren merken wir, dass wir mit einem Fremden oder einer Fremden zusammenleben. Dann wird die Person auf der Arbeit, mit der wir uns regelmäßig unterhalten und die wir gerade kennenlernen, plötzlich viel interessanter“, führt die Psychologin weiter aus.

In einer Beziehung sollte man sich immer wieder aufs Neue kennenlernen

„Das Problem dabei ist, dass dies ein sich wiederholender Kreislauf ist, der jedes Mal zur Untreue führt, wenn man sich mit seinem Partner oder seiner Partnerin langweilt und jemand anderes interessanter wird. Eine Strategie, die Beziehung zum Partner bzw. zur Partnerin aufrechtzuerhalten, besteht also darin, weiterhin miteinander auf Dates zu gehen und die Person kennenzulernen, die er/sie heute ist“, empfiehlt Dr. McGraw.

Sie versichert, dass, wenn man seine:n Partner:in immer wieder neu kennenlernt, das Interesse und die Anziehungskraft erhalten bleiben. Außerdem entwickle man dadurch eine “positive Sichtweise” auf den/die Partner:in. Ähnlich wie bei der Perspektivenübernahme sei es wichtig, dass beide Partner:innen ein Team bilden. In einer Beziehung gehe es weniger darum, wer recht hat oder wer besser ist.

„Das Ziel ist es, ein Verständnis für die Gedanken, Gefühle und die Perspektive des Partners zu entwickeln und zu erhalten. So können eine starke Verbindung, Respekt und Anziehung entstehen“, erklärt die Expertin.

Was ist der Schlüssel zu einer erfüllenden Beziehung?

Wenn man es also schafft, das Interesse am Partner bzw. der Partnerin aufrechtzuerhalten, kann das helfen, nicht fremdzugehen. Wir wollten von Dr. McGraw wissen, welche Geheimzutat eine Beziehung braucht, damit sie für beide Partner:innen erfüllend ist.

Gibt es vielleicht DEN Schlüssel für eine erfüllende Partnerschaft?

„Ganz so einfach ist es leider nicht – es gibt nicht den EINEN “Schlüssel”. Eine erfüllende Beziehung setzt sich aus vielen Komponenten zusammen“, meint die Psychologin. „Allerdings würde ich dem Gesamtpaket den Namen “Verbindung” geben.“

Zu diesem Paket gehören laut der Beziehungsexpertin folgende Komponenten:

  • Die Entwicklung einer positiven Sichtweise auf den/die Partner:in
  • Die Aufrechterhaltung der körperlichen Verbindung (einschließlich Küssen, Umarmen und Kuscheln, nicht nur Sex)
  • Verständnis für den/die Partner:in
  • Viel Kommunikation
  • Die Aufrechterhaltung von Respekt (insbesondere bei Konflikten)
  • Der Aufbau eines gemeinsamen Lebenssinns und gemeinsamer Ziele

Noch ein Tipp, falls deine sexuellen Wünsche unerfüllt bleiben

Sam Donaldson, der Mitbegründer von Best Kept Secret, einer erotischen Audio-Plattform für Frauen, ist der Meinung, dass der Wunsch, fremdzugehen, oft von unerfüllten sexuellen Wünschen herrührt. Beispielsweise wenn der/die Partner:in andere sexuelle Interessen hat oder es ihm/ihr an sexueller Erfahrung mangelt.

„Eine wunderbare Möglichkeit, eine Fantasie zu “erleben”, die sich im Schlafzimmer nicht umsetzen lässt, ist das Hören von erotischen Rollenspiel-Audios. Erotische Hörbücher, die es dir erlauben, als Hauptfigur in die Geschichte einzutauchen“, erzählt Donaldson.

Pikanten Sex erleben, ohne fremdzugehen

Die Rollenspiel-Perspektive soll es dir ermöglichen, die Geschichte ziemlich realistisch zu erleben. Die Erfahrung soll sogar echtem Sex sehr nahekommen, ohne dass man fremdgehen muss!

„Mit der Gründung der Plattform hatten wir eigentlich nur vor, pikante Hörbücher zu kreieren. Doch schon bald bekamen wir Nachrichten von unseren Hörerinnen, die berichteten, wie ihnen die Audios halfen, ihre monogame Beziehung aufrechtzuerhalten und mehr über ihre sexuellen Wünsche zu erfahren oder sogar Beziehungstraumata zu heilen“, berichtet Sam Donaldson.

Es auszuprobieren kann sich also lohnen!

Fazit: Die Perspektivenübernahme ist ein wichtiger Faktor in einer glücklichen Beziehung

Die Ergebnisse der Studie deuten darauf, dass du es durch die Perspektivenübernahme erfolgreich schaffen kannst, einer “attraktiven Verlockung” zu widerstehen. Ob es sich allerdings um eine Strategie gegen das Fremdgehen handelt, die zu 100 % wirksam ist, sei infrage gestellt.

Dennoch ist die Partnerperspektive definitiv eine gute Sache, die deiner Partnerschaft in jedem Fall guttun wird. Wird in einer Beziehung mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse und Wünsche des jeweils anderen genommen und bemüht man sich, die Gedanken und Gefühle des Gegenübers zu verstehen, kann das die Beziehung stärken und die Verbindung vertiefen. Dadurch wird die Beziehung für beide Partner:innen befriedigender – unabhängig davon, ob die Gefahr des Fremdgehens besteht oder nicht.

Mit der Methode des “sich immer wieder aufs Neue kennenlernen” hast du allerdings eine zusätzliche Strategie zur Hand, die dir und deinem Liebsten oder deiner Liebsten helfen kann, eine stabile und erfüllende Beziehung zu führen.

Expertin in diesem Artikel

  • Sam Donaldson, Mitbegründer der Audioplattform Your Best Kept Secret
  • Dr. Danielle McGraw, lizenzierte klinische Psychologin und Inhaberin von Flourish Mental Wellness

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