Was bedeutet es für eine Partnerschaft, wenn man andere Personen sexuell anziehend findet?

Neue Studie zeigt: Es macht durchaus einen Unterschied, wen man sexuell anziehend findet

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Sexuelle-Anziehung-ausserhalb-der-Partnerschaft-Studie
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Auf einen Blick

  • Ein Forscherteam der Deakin Universität untersuchte, ob sexuelle Anziehung zu anderen Personen die sexuelle Zufriedenheit und Beziehungsqualität beeinflusst
  • Sexuelle Anziehung zu anderen Personen ist mit schlechterer sexueller Zufriedenheit und Beziehungsqualität verbunden
  • Männer fühlen sich signifikant häufiger zu anderen Personen hingezogen als Frauen
  • Offene Kommunikation kann helfen, sexuelle Anziehung innerhalb der Beziehung zu verbessern
  • Sexuelle Anziehung zu anderen Personen außerhalb der Beziehung ist normal und natürlich

Was ist eigentlich dabei, wenn man sich hin und wieder zu einer Person sexuell hingezogen fühlt, die nicht der eigene Partner bzw. die eigene Partnerin ist?

Hat es einen Einfluss auf die Partnerschaft, wenn man Blicke mit einer schönen fremden Person auf der Straße austauscht, einen Mitarbeitenden im Büro sexuell anziehend findet oder sich vorstellt, wie man mit einem attraktiven Freund oder einer Freundin nach einer Party im nächstgelegenen Hotel eincheckt und zur Sache kommt?

Die Gedanken sind frei und solange man einer sexuellen Fantasie mit einer Person, die nicht der/ die eigene Partner:in ist, nicht nachgeht, dürfte das doch keinen sonderlichen Einfluss auf die Beziehung haben, oder?

Ein Forscherteam der Deakin Universität in Australien ist dieser Frage nachgegangen. Ihre im Sexual Medicine Journal publizierte Studie untersuchte, ob das Gefühl der sexuellen Anziehung, das durch eine andere Person und nicht durch den Partner bzw. die Partnerin ausgelöst wird, einen Einfluss auf die sexuelle Zufriedenheit und die Beziehungsqualität hat.

Es ist nichts Ungewöhnliches, andere Personen sexuell anziehend zu finden

Sich von einer Person sexuell angezogen zu fühlen, die nicht der/ die eigene Partner:in ist, ist tatsächlich nichts Ungewöhnliches. Laut einer im Journal of Sex and Marital Therapy veröffentlichten Studie gab die Mehrheit der sich in Langzeitbeziehungen befindenden Befragten an, sich zu einer anderen Person als ihrem Partner sexuell hingezogen zu fühlen.

Dass solche Gefühle entstehen, ist in erster Linie kein Grund zur Sorge, sondern etwas vollkommen Natürliches. Es lässt sich nämlich nicht bewusst kontrollieren, ob wir uns sexuell zu jemandem hingezogen fühlen.

Unser Gehirn verarbeitet visuelle Informationen vollkommen automatisch und nahezu augenblicklich fällen wir ein Urteil über die Attraktivität einer anderen Person, wie Psychologe Prof. Dr. Florian Hutzler von der Universität Salzburg in einer auf idw-online veröffentlichten Pressemitteilung über die Ergebnisse einer neurowissenschaftlichen Studie erklärt.

Die Studie konnte nachweisen, dass Gesichtsinformationen nach etwa 200 Millisekunden weit genug verarbeitet wurden, um die Attraktivität einer Person einzuschätzen. Erweckt der Anblick eines/ einer Fremden also direkt sexuelle Fantasien bei dir, ist das ganz natürlich.

Wen wir sexuell anziehend finden, entscheidet unser Gehirn automatisch

Sexuelle Anziehungskraft zu verspüren ist Teil unseres Sexualtriebs, der genauso wie das Hunger- oder Durstempfinden durch spezifische neurophysiologische Prozesse im Gehirn hervorgerufen wird und wenig steuerbar ist.

Welche Personen wir sexuell anziehend finden, entscheidet unser Gehirn nun aber auch dann, wenn wir uns in einer Partnerschaft befinden.

Doch selbst wenn wir Gedanken und Gefühle nicht immer bewusst steuern können, haben wir dennoch einen Einfluss auf unser Verhalten. Wirkt eine Person sexuell anziehend auf uns, müssen wir diesem Empfinden nicht sofort nachgeben und unsere Fantasien ausleben.

Und wenn wir uns sexuell von einer anderen Person angezogen fühlen, bedeutet das doch auch nicht, dass man den eigenen Partner bzw. die eigene Partnerin weniger anziehend findet oder dass Sexfantasien mit anderen Personen die Beziehung negativ beeinflussen, oder?

Könnte die durch eine andere Person ausgelöste sexuelle Erregung vielleicht auch einfach auf den/ die eigene:n Partner:in umgelenkt werden und somit sogar einen positiven Einfluss auf das Sexleben in der Partnerschaft haben?

Wie wird die Beziehung beeinflusst, wenn man sich zu anderen Personen sexuell angezogen fühlt?

Die im Journal of Sexual Medicine veröffentliche Studie mit dem Titel “Does it matter who you feel sexually aroused by?” (“Spielt es eine Rolle, zu wem man sich sexuell angezogen fühlt?”) untersuchte, welchen Einfluss es auf die Beziehung hat, wenn man sich sexuell zu anderen Personen außerhalb der Partnerschaft angezogen fühlt.

Im Fokus der Untersuchungen standen zwei Indikatoren, die es ermöglichen, Schlüsse darüber zu ziehen, wie es um die Stabilität einer Beziehung steht: die sexuelle Zufriedenheit und die Beziehungsqualität.

Das Forscherteam hielt vor Studiendurchführung sowohl positive als auch negative Einflüsse auf die Beziehung für möglich:

  • Ausgehend von den Ergebnissen einer Studie aus dem Jahr 2010, die zeigte, dass sexuelle Erregung dazu animiert, sexuell aktiv zu werden, sind die Forschenden davon ausgegangen, dass die sexuelle Lust, die durch eine andere Person ausgelöst wird, tendenziell auf den/ die eigene:n Partner:in umgelenkt wird, um auf diesem Weg die sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Dadurch könnte wiederum die sexuelle Zufriedenheit in der Partnerschaft positiv beeinflusst werden.
  • Die Forschenden hielten es ebenfalls für plausibel, dass es einen negativen Einfluss auf die sexuelle Zufriedenheit und die Beziehungsqualität haben kann, wenn man andere Personen als den eigenen Partner sexuell anziehend findet.

Grund für diese Annahme ist, dass das Gefühl, eine andere Person sexuell anziehend zu finden, ein Auslöser dafür sein könnte, dass alternative Beziehungen in Betracht gezogen werden und sich das Commitment gegenüber der bestehenden Beziehung reduziert. Dies wiederum könnte die sexuelle Zufriedenheit und die Qualität der Beziehung schwächen.

So verlief die Studie:

Im Rahmen der Studie wurden die Zusammenhänge zwischen folgenden vier Elementen ermittelt:

  • Die sexuelle Anziehung zum Partner bzw. zur Partnerin
  • Die sexuelle Anziehung zu Personen außerhalb der Partnerschaft
  • Die sexuelle Zufriedenheit
  • Die Beziehungsqualität

Es wurden 116 heterosexuelle Paare bezüglich dieser vier Aspekte befragt. Die Paare waren mindestens seit 6 Monaten und im Durchschnitt seit dreieinhalb Jahren zusammen. Das Alter der Studienteilnehmenden betrug 18 bis 72 Jahre. Die Personen füllten den Fragebogen getrennt von ihrem/ ihrer Partner:in aus (vor Ort im Forschungsinstitut).

Zum einen wurde die Häufigkeit der sexuellen Erregung gemessen. Hierfür sollten die Studienteilnehmenden unter anderem Angaben darüber machen, wie oft sie sich durch Ihren Partner sexuell erregt fühlen, auf einer Skala 1 (nie) bis 7 (immer).

Außerdem wurde die Intensität der sexuellen Anziehung gemessen. Die Studienteilnehmenden sollten auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht intensiv) bis 7 (sehr intensiv) bewerten, wie intensiv sie sich zum/ zur Partner:in sexuell hingezogen fühlen.

Die sexuelle Anziehung zu Personen außerhalb der Partnerschaft wurde anhand der Fragen “Wie oft fühlen Sie sich sexuell zu Personen außerhalb Ihrer Partnerschaft hingezogen?” und “Wenn Sie durch andere Personen als Ihren Partner sexuell erregt werden, wie intensiv ist dies?” gemessen.

Um die sexuelle Zufriedenheit der Studienteilnehmenden zu erheben, sollten diese beantworten, wie zufrieden sie mit ihrer sexuellen Beziehung zu ihrem Partner sind. Und um die Beziehungsqualität zu messen, wurden die beiden Fragen “Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Beziehung?” und “Wie sehr vertrauen Sie Ihrem Partner?” gestellt.

Was die Studienergebnisse zeigen:

  • Die Befragten waren umso zufriedener mit ihrem Sexleben, je stärker sie sich zu ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin sexuell hingezogen fühlten.
  • Auch bewerteten sie ihre Beziehungsqualität positiver (z. B. Aspekte wie Intimität, Leidenschaft, Commitment, Liebe), je stärker sie sich zu ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin sexuell hingezogen fühlten.
  • Im direkten Gegensatz dazu war die sexuelle Anziehung zu anderen Personen außerhalb der eigenen Partnerschaft mit einer schlechteren sexuellen Zufriedenheit und Beziehungsqualität verbunden.
  • Insgesamt bewerteten sowohl die Männer als auch die Frauen die sexuelle Zufriedenheit als mäßig gut und die Beziehungsqualität als sehr gut.
  • Es besteht kein Unterschied zwischen den Geschlechtern hinsichtlich der sexuellen Anziehung.

Im Durchschnitt fühlten sich sowohl die weiblichen als auch die männlichen Studienteilnehmenden mäßig stark zu ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin sexuell hingezogen.

Nur wenige bis mäßig viele fühlten sich zu Personen außerhalb der Partnerschaft sexuell hingezogen, wobei Männer signifikant häufiger als Frauen angaben, von anderen sexuell erregt zu werden.

So erklären die Studienautor:innen die Ergebnisse:

Die Studienautor:innen halten es für möglich, dass die gegenüber dem Partner verspürte sexuelle Anziehung die sexuelle Aktivität in der Partnerschaft fördert und gleichzeitig das sexuelle Vergnügen steigert. Denn durch die sexuelle Erregung werden die vaginale Lubrikation und die Durchblutung des Genitalbereichs erhöht, was den Sex angenehmer macht und so die sexuelle Zufriedenheit steigert.

Die sexuelle Anziehung zum Partner bzw. zur Partnerin kann laut der Forschenden auch dazu motivieren, die Partnerschaft aufrechtzuerhalten und so die Möglichkeiten für künftige sexuelle Aktivitäten zu maximieren. Schließlich kann eine Beziehung bessere Aussichten auf regelmäßigen Sex schaffen als das Singledasein.

Es ist zu erwarten, dass Verhaltensweisen, die zur Erhaltung der Beziehung beitragen, zu einem besseren Funktionieren der Beziehung und einer besseren Bewertung der Beziehungsqualität beitragen.

Dass die sexuelle Anziehung zu Personen außerhalb der Partnerschaft mit einer niedrigeren sexuellen Zufriedenheit und Beziehungszufriedenheit zusammenhängt, könnte laut der Forschenden daran liegen, dass die Aufmerksamkeit sowie die Motivation Sex zu haben auf die Person gelenkt werden, von der man sich sexuell angezogen fühlt und nicht auf den/ die eigene:n Partner:in.

Diese möglichen Erklärungen für die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Notwendigkeit weiterer Forschung, um die gefundenen Zusammenhänge zwischen der sexuellen Anziehung und der Beziehungszufriedenheit erklären zu können.

Haben die Häufigkeit und Qualität der sexuellen Aktivität mit dem/ der Partner:in eventuell einen Einfluss darauf, wie stark man sich zu anderen Personen sexuell angezogen fühlt und ob beziehungserhaltende Verhaltensweisen unternommen werden?

Sollte man dem/ der Partner:in davon erzählen?

Sollte man dem/ der Partner:in erzählen, dass man sich zu einer anderen Person sexuell hingezogen fühlt? Das kommt ganz darauf an.

Fühlst du dich gleichzeitig weniger zu deinem Partner bzw. deiner Partnerin sexuell hingezogen, möchtest aber, dass die sexuelle Anziehung wieder stärker wird? Dann ist eine offene Kommunikation eine gute Strategie, um dieses Thema zu bewältigen.

Vielleicht sprichst du nicht direkt an, dass du andere Personen sexuell anziehend findest, um die Gefühle deines Partners bzw. deiner Partnerin nicht unnötig zu verletzen. Nutze das Gespräch lieber, um deine sexuellen Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte anzusprechen.

Wenn du festgestellt hast, dass du dich nicht mehr so stark sexuell zu deinem/ deiner Partner:in hingezogen fühlst, bist du sicher nicht allein. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch dein:e Partner:in andere Personen sexuell anziehend findet und sich auch zu dir nicht mehr so stark sexuell hingezogen fühlt.

Frage daher unbedingt auch deine:n Partner:in nach seinen/ ihren sexuellen Wünschen und Sehnsüchten. Es ist wichtig, dass du deinem Partner bzw. deiner Partnerin gegenüber verständnisvoll bist. Selbstverständlich ist es auch wichtig, dass ihr beide daran arbeiten möchtet, eure Beziehung und euer Sexualleben zu verbessern.

Natürlich kann es in einer Partnerschaft auch passieren, dass Dysbalancen in der sexuellen Anziehung auftreten und eine Person mehr Sex möchte als die andere. Dabei können bei der Person, die mehr Sex möchte, Frustration oder das Gefühl der Zurückweisung durch die andere Person auftreten. Eine solche Situation kann zu einer Belastung für die Beziehung werden.

Dabei sollte man wissen, dass die fehlende sexuelle Anziehung in einer Partnerschaft (sei es ein- oder beidseitig) keineswegs von Dauer sein muss. Manchmal ist es einfach die Alltagsroutine, der Stress im Beruf oder mit den Kindern und manchmal sind auch einfach nur hormonelle Veränderungen der Grund dafür, dass die Lust auf Sex mit dem Partner bzw. der Partnerin nicht mehr so stark ist wie am Anfang der Beziehung. Das muss nicht unbedingt ein Problem sein oder sich auf die gegenseitige Liebe auswirken.

In jedem Fall kann eine offene Kommunikation helfen, um gemeinsam eine Lösung zu finden.

Fazit: Sich zu anderen Personen sexuell hingezogen zu fühlen, bedeutet nicht gleich das Beziehungsaus

Sich trotz Partnerschaft zu anderen Personen sexuell hingezogen zu fühlen, ist vollkommen normal und bedeutet nicht gleich, dass man sich eine:n neue:n Partner:in wünscht. Es kann durchaus sein, dass man eine fremde Person auf der Straße sexuell anziehen findet und dennoch glücklich in der Beziehung ist – schließlich lässt sich der menschliche Sexualtrieb nicht bewusst auf nur eine Person lenken.

Außerdem müssen Fantasien nicht gleich in die Tat umgesetzt werden. Es ist ein großer Unterschied, ob man nur an etwas denkt oder es tatsächlich tut.

Wenn jedoch die sexuelle Anziehung zu einer anderen Person stärker ist als die zum eigenen Partner bzw. zur eigenen Partnerin, kann das in der Tat einen negativen Einfluss auf die Beziehung haben. In diesem Fall ist es wichtig, genauer hinzusehen und sich zu fragen, ob hinter den Fantasien Wünsche und sexuelle Bedürfnisse stehen, die in der Beziehung nicht erfüllt werden.

Um die sexuelle Zufriedenheit in der Partnerschaft und die Qualität der Beziehung zu verbessern, ist es wichtig, mit dem/ der Partner:in offen über die sexuellen Wünsche zu sprechen und gemeinsam an der Beziehung zu arbeiten. Kommunikation ist die Grundlage für ein besseres Sexualleben und eine glückliche Beziehung.

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