Warum haben Frauen beim Sex weniger Orgasmen als Männer?
Wie die Erwartungshaltung an einen Orgasmus beeinflusst, wie häufig man ihn erlebt
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Wie die Erwartungshaltung an einen Orgasmus beeinflusst, wie häufig man ihn erlebt
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Beim heterosexuellen Geschlechtsverkehr kommen Frauen deutlich seltener zum Höhepunkt als Männer. Dies ist eine Tatsache, die auch in einer Studie belegt wurde: Rund 95 Prozent der befragten heterosexuellen Männer kommen meistens zum Orgasmus, während nur 65 Prozent der heterosexuellen Frauen regelmäßig zum Höhepunkt kommen.
Männer und Frauen sind in vielen Lebensbereichen oftmals nicht gleichgestellt – nicht in der Arbeitswelt und im Bett nun einmal auch nicht.
Wissenschaftler:innen der Psychologie an der Rutgers University in den USA haben sich näher mit diesem Phänomen beschäftigt, das auch als Orgasm Gap (in Anlehnung an den Gender Pay Gap, also das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern) bekannt ist. Denn um ein Problem zu lösen, muss man schließlich der Ursache auf den Grund gehen.
Dass Frauen weniger Orgasmen erleben als Männer, mag wohl unter anderem daran liegen, dass Frauen in der Regel nur zum Orgasmus kommen, wenn die Klitoris stimuliert wird. Dies ist allerdings beim vaginalen Geschlechtsverkehr, der oft als der “richtige” Sex dargestellt wird, häufig nicht der Fall, was Ursache dafür sein kann, dass Frauen beim Sex seltener zum Höhepunkt kommen als Männer.
Anders ist dies bei Männern: beim vaginalen Geschlechtsverkehr wird die Eichel durchaus stimuliert, was Männer recht sicher zum Orgasmus bringt. Doch ist das der einzige Grund dafür, dass Frauen beim Sex seltener zum Orgasmus kommen als Männer? Oder gibt es für dieses “Orgasmus-Missverhältnis” auch andere Gründe?
Die geschlechterbasierte Benachteiligung lässt sich nur bedingt durch den anatomischen Unterschied der Geschlechtsteile erklären. Obwohl vaginaler Geschlechtsverkehr eine große Rolle beim Heterosex spielt (trotz der oft fehlenden klitoralen Stimulation und der damit verbundenen geringen Wahrscheinlichkeit eines Orgasmus seitens der Frau), ist er nicht der einzige Weg, dass Frau zum Orgasmus kommt.
Zumal es tatsächlich nur wenige Belege dafür gibt, dass ein Geschlechtsunterschied bei der biologischen Fähigkeit, einen Orgasmus zu erleben, besteht. Forschungsergebnisse zeugen vom Gegenteil: bei vielen Frauen ist die Zeitspanne, in der sie nach dem Orgasmus wieder zum Höhepunkt kommen können, kürzer als bei Männern, was es ihnen ermöglicht, potenziell mehr Orgasmen in einem kürzeren Zeitraum zu erleben.
Darüber hinaus kommen Frauen bei der Masturbation in der Regel ähnlich schnell und in einem ähnlichen Zeitrahmen zum Orgasmus wie Männer, wie eine Studie aus dem Jahr 1953 zeigt. Andere Studien wiederum verdeutlichen, dass Frauen beim gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr weniger Probleme haben, auf ihre Kosten zu kommen, als beim heterosexuellen Sex.
Woran könnte es also dann liegen, dass Frauen weniger Orgasmen erleben als Männer (und zwar auch in langjährigen Beziehungen)?
Das Forscherteam der Rutgers University hatte die Vermutung, dass der Orgasm Gap an sich etwas mit dem sexuellen Erleben zu tun haben könnte.
Vor diesem Hintergrund wurde geforscht, wie sich das Phänomen des Orgasm Gap auf das sexuelle Erleben bei heterosexuellen Paaren auswirkt. Es wurde ebenfalls untersucht, wie sich die Ungleichheit im Bett darauf auswirkt, wie sehr man sich einen Orgasmus wünscht oder ihn erwartet.
Im Rahmen einer Online-Umfrage sollten 104 sexuell aktive heterosexuelle Paare berichteten
Die Umfrageergebnisse zeigen deutlich, dass eine Orgasmus-Ungleichheit besteht, wobei die Männer die Größe der Orgasm Gap in ihren Beziehungen stark unterschätzen. Zudem wurde festgestellt, dass die Häufigkeit eines Orgasmus bei Mann oder Frau einen Einfluss auf das Verlangen und die Erwartung, überhaupt zum Höhepunkt zu kommen, hat.
Dass es einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des Erlebens eines Orgasmus und der Erwartung an einen Orgasmus gibt, könnte erklären, warum Frauen einem Orgasmus eine geringere Bedeutung zuschreiben als Männer.
Denn wer generell selten zum Höhepunkt kommt, hat folglich nur geringe Erwartungen an einen Orgasmus und gibt sich mit weniger zufrieden. Daher ist es Frauen auch nicht so wichtig wie Männern, während des Geschlechtsverkehrs einen Orgasmus zu erleben.
Doch eine geringe Erwartungshaltung wirkt sich nicht unbedingt förderlich auf das zukünftige Erleben von Geschlechtsverkehr aus.
Die Studienautor:innen gehen davon aus, dass die Orgasmus-Ungleichheit in Beziehungen weiterhin bestehen bleibt, wenn Frauen, die seltener zum Orgasmus kommen, ihr Verlangen und ihre Erwartungen an den Orgasmus senken.
Denn: Vergangene Erfahrungen sind mit zukünftigen Erwartungen, Wünschen und Verhaltensweisen verknüpft.
Wer also seinen Glauben daran verliert, beim Sex zum Höhepunkt zu kommen, weil er ohnehin selten einen Orgasmus erlebt, erlebt auch zukünftig selten einen Orgasmus. Die niedrige Erwartungshaltung an den Sex verstärkt den Effekt. Es ist also ein Teufelskreis.
Dass eine Frau häufig nicht zum Höhepunkt kommt, liegt also nicht unbedingt am Gegenüber, sondern an ihrer Erwartungshaltung an den Sex (die durch ihre Erfahrungen geprägt ist) und der daraus resultierenden Verhaltensweise der Frau.
Laut Grace Wetzel, Sozialpsychologie-Doktorandin an der Rutgers University, haben die Erwartungen sowie der Wunsch einer Person an ein bestimmtes Ergebnis einen Einfluss auf das Verhalten. Wie sehr man also zum Orgasmus kommen möchte, bestimmt, wie sehr man um einen Orgasmus bemüht ist und letztlich, ob man tatsächlich zum Höhepunkt kommt.
Wenn es einer Frau schwerer fällt, zum Orgasmus zu kommen, sind auch ihr Wunsch nach einem Orgasmus sowie ihre Erwartungshaltung beim Sex zum Höhepunkt zu kommen, weniger stark ausgeprägt. Folglich ist sie auch weniger stark um einen Orgasmus bemüht.
Die Erwartungshaltung einer Frau an den Geschlechtsverkehr spielt also eine Rolle, ob sie zum Orgasmus kommt oder nicht – doch der eigentliche Ursprung der Orgasmus-Ungleichheit ist an anderer Stelle verortet: nämlich in der fehlenden Gleichstellung von Mann und Frau bei der sexuellen Befriedigung.
Selbstverständlich ist ein Orgasmus nicht immer das Endziel einer sexuellen Begegnung oder das einzige Maß für sexuelle Befriedigung. Dennoch ist der Orgasmus der Frau keineswegs weniger bedeutsam als der des Mannes.
Zumal das Erleben von Orgasmen auch in Verbindung mit der sexuellen Zufriedenheit und einem positiven Empfinden einer Partnerschaft steht, wie eine Studie zeigt.
Daher ist es wichtig zu berücksichtigen, wie Geschlechternormen sich auf die Erwartungshaltung von Männern und Frauen an heterosexuellen Geschlechtsverkehr und somit auf die sexuelle Befriedigung auswirken – nämlich negativ, wie Dr. Diana Sanchez von der Rutgers University betont.
Sanchez hat bereits zu zahlreichen Veröffentlichungen beigetragen, die sich mit der geschlechtsspezifischen Kluft zwischen Männern und Frauen befassen.
Ihre Studienarbeiten verdeutlichen, dass Männer aufgrund traditioneller Geschlechterrollen von mehr positiven sexuellen Erfahrungen berichten als Frauen. Das liegt unter anderem an gesellschaftlichen patriarchalen Strukturen, die heute immer noch existieren, wobei der Mann eine bevorzugte Rolle einnimmt. Die Frau hingegen gilt als passiv und unterwürfig, was wiederum mit der Unterdrückung ihrer Bedürfnisse einhergeht.
Dass solche Geschlechternormen mit negativen sexuellen Erfahrungen und einer geringen Wahrscheinlichkeit, dass Frauen zum Orgasmus kommen, erregt werden und mit ihrem Sexualleben zufrieden sind, zusammenhängen, konnte Sanchez im Jahr 2011 mit einer Studie verdeutlichen.
Denn wenn Frauen sich beim Sex dem Mann unterwerfen, übernimmt der Mann die Führung. Und dann steht meist nicht die Befriedigung der Frau im Mittelpunkt, sondern die des Mannes. Die Frau bedient dann die Wünsche des Mannes, und zwar in der Regel beim vaginalen Geschlechtsverkehr, da hierbei der Penis gut stimuliert wird.
Die Forschenden der Rutgers University heben hervor, wie wichtig es ist, Frauen, die sich mehr Orgasmen in ihren sexuellen Beziehungen wünschen, dazu zu ermutigen, ihr Recht auf Orgasmen einzufordern und die Erwartungshaltung an den Sex mit Männern zu erhöhen.
Um die Gleichberechtigung der Geschlechter im Bett zu fördern und den Orgasm Gap zu schließen, muss Aufmerksamkeit für das Problem geschaffen werden.
Insbesondere Sexualpädagogen, Aktivisten und Therapeuten sollen sich laut der Studienautor:innen dafür einsetzen, dass Frauen ihren Anspruch auf Orgasmen erheben und sich nicht einfach nur damit zufriedengeben, nicht zum Höhepunkt zu kommen. Kommunikation ist sozusagen der Schlüssel zu gutem Sex und regelmäßigen Orgasmen!
Schlussendlich soll es nicht am Mann liegen, herauszufinden, wie Frau zum Orgasmus kommt. Manche Männer wissen schlichtweg nicht, dass die meisten Frauen nicht durch reine Penetration, also durch das bloße Eindringen des Penis in die Vulva, zum Orgasmus kommen.
Jedoch kommunizieren Frauen oft nicht klar, was sie mögen. Wie die Psychologin und Sexualberaterin Anna Althoff gegenüber nd-aktuell.de erklärt, liegt dies daran, dass Frauen einen anderen Zugang zu ihrem Körper haben als Männer und teilweise selber gar nicht wissen, wie sie zum Orgasmus kommen oder Hemmungen haben, dies dem Sexualpartner zu kommunizieren.
Schließlich wird der weibliche Orgasmus auch in der Sexualkunde völlig untergraben, da dieser – anders als der des Mannes – bei der Fortpflanzung keine Rolle spielt. Und auch mit der Klitoris setzt man sich in der Sexualkunde, die in der Regel im frühen Schulalter unterrichtet wird, nicht näher auseinander.
Hinzu kommt, dass Sex in den Medien häufig auf Penetration reduziert wird. Auch wird penetrativer Sex so dargestellt, dass er für Frauen genauso stimulierend ist wie für Männer – was aber nicht so ist. Tatsache ist jedoch, dass die meisten Frauen nur zum Orgasmus kommen können, wenn sie klitoral stimuliert werden. Denn hier laufen die empfindlichsten Sexualnerven zusammen.
Auf diesem Gebiet ist also Aufklärung gefragt. Frauen können nur dann Orgasmen einfordern, wenn sie selbst wissen, wie sie zum Höhepunkt kommen und es nicht alleine den Männern überlassen, herauszufinden, was sie brauchen.
Doch hier gibt es weitere Hürden: Frauen werden gesellschaftlich nicht gerade zur Masturbation motiviert und die weibliche Masturbation wird anders als bei Männern eher tabuisiert. Eine Studie aus dem Jahr 2021 macht deutlich, dass immer noch nur sehr wenige Frauen einen positiven Zugang zu ihrer eigenen Sexualität und Masturbationspraxis haben.
Fast 25 % der Frauen schämen sich beim Masturbieren und haben negative Gefühle dabei.
Die Verantwortung an den Mann abzugeben, mag einfach erscheinen, führt jedoch nicht unbedingt dazu, dass Frau zum Orgasmus kommt. Dass Frauen jedoch oft eine passive Rolle einnehmen, wenn es um ihre sexuelle Befriedigung geht, liegt neben traditionellen Geschlechternormen auch am weitverbreiteten Missverständnis, dass alle Frauen durch vaginale Stimulation zum Höhepunkt kommen.
Dabei können das nur die wenigsten. Wie wichtig die Klitoris beim Sex ist, wird immer noch verkannt.
Damit Frauen Sex mit Orgasmen genießen können, ist es wichtig, dass sie sich mit ihren Bedürfnissen auseinandersetzen und es wagen, diese dem Sexualpartner klar zu kommunizieren. Selbstermächtigung und Selbstverantwortung sind gefragt.
Laut Althoff können Frauen beispielsweise mithilfe von Vulva Watching, Yoni Massagen und Squirt Workshops lernen, wie sie stimuliert werden möchten, um einen Orgasmus mit ihrem Partner zu erleben.
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