Hast du dich jemals gefragt, warum manche Männer in Sachen Sex gerne impulsiv sind oder warum so viele Männer Pornos schauen und einige dazu neigen, Affären zu haben?
Eine neue Studie legt nahe, dass diese Verhaltensweisen mit ihrem Testosteronspiegel zusammenhängen.
Testosteron ist eines der wichtigsten Sexualhormone und spielt insbesondere bei Männern eine bedeutende Rolle in der Entwicklung und Regulierung der sexuellen Funktionen. Es wird hauptsächlich in den Hoden produziert.
Aber auch Frauen produzieren Testosteron (in den Eierstöcken, der Plazenta und Nebennierenrinde), allerdings in weitaus geringeren Mengen.
Testosteron steigert Risikobereitschaft
Testosteron hat aber nicht nur einen Einfluss auf unsere Fortpflanzungsfähigkeit und unser sexuelles Verlangen, sondern auch auf andere Bereiche, wie etwa das Muskelwachstum, die Knochenstärke und unseren Haarwuchs.
Wie Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2021 zeigen, beeinflusst der Testosteronspiegel auch unsere Entscheidungsprozesse.
Forschende haben herausgefunden, dass Männer mit einem höheren Testosteronspiegel eher dazu bereit sind, Risiken einzugehen, beispielsweise bei Investmententscheidungen.
Der Anstieg des Testosteronspiegels kann auf äußere Reize zurückzuführen sein, wie beispielsweise auf herausfordernde Situationen. Dies kann unser soziales Verhalten, einschließlich unser Fortpflanzungsverhalten, unser Aggressionsniveau und unsere Risikobereitschaft beeinflussen.
Das bedeutet aber nicht, dass alle Männer mit hohem Testosteronspiegel risikofreudig sind. Auch andere Faktoren, wie etwa die Persönlichkeit, können eine Rolle spielen.
Sexuelle Kontexte beeinflussen Testosteronlevel
Dass auch sexuelle Kontexte einen Einfluss auf den Testosteronspiegel haben, ist allgemein bekannt.
Bereits Untersuchungen aus dem Jahr 1974 zeigen, dass das Ansehen erotischer Filme den Testosteronspiegel erhöht.
Neuere Forschungen haben gezeigt, dass auch kurze Gespräche mit jungen Frauen bei heterosexuellen Männern einen starken Anstieg des Testosteronspiegels bewirken können.
Zusätzlich hat eine Studie aus dem Jahr 2013 gezeigt, dass das Riechen von weiblichen Achsel- und Vulvadüften das Testosteronlevel und das sexuelle Verlangen steigert.
Dass sexuelle Reize den Testosteronspiegel beeinflussen, hat evolutionäre Gründe. Schließlich spielt Testosteron eine entscheidende Rolle bei der Fortpflanzung und sichert einer Spezies dadurch das Überleben.
Testosteron hat Einfluss auf unser Sexualverhalten
Studien mit Tieren zeigen, dass die Zufuhr von Testosteron das Paarungsverhalten direkt beeinflussen kann. Das Hormon erhöht nämlich das Verlangen nach schnellen Belohnungen.
Es wird angenommen, dass auch beim Menschen das Testosteronlevel einen direkten Einfluss auf das Sexualverhalten hat.
Allerdings gibt es bislang nur wenige experimentelle Studien, die den Effekt von Testosteron auf die sexuelle Lust und das Sexualverhalten von Männern untersucht haben.
Eine neue experimentelle Studie zielt darauf ab, dieses Phänomen genauer zu untersuchen.
Drängt Testosteron dazu, sexuellen Impulsen nachzugehen?
In einer Studie mit 140 jungen heterosexuellen Männern im Alter von 16 bis 26 Jahren wurde untersucht, wie sich eine einmalige Verabreichung von Testosteron auf ihre Reaktion auf sexuelle Impulse auswirkt.
Die Wissenschaftler:innen vermuteten, dass Testosteron die sexuelle Impulsivität von Männern steigern würde, was dazu führen könnte, dass sie eher sexuellen Bedürfnissen nachgehen.
So wurde das Experiment durchgeführt
Das Experiment wurde mit zwei Versuchsgruppen durchgeführt. Der Testosteron-Gruppe wurde ein Gel mit 150 mg Testosteron auf die Schultern und Oberarme aufgetragen, während die Kontrollgruppe ein Placebo-Gel ohne Testosteron erhielt.
Anschließend wurden allen Männern für eine Dauer von 1,5 Sekunden verpixelte erotische Bilder von Frauen präsentiert. Die Studienteilnehmer sollten entscheiden, ob sie die scharfe Version des Bildes bereits nach einer Sekunde oder erst nach einer kurzen Wartezeit sehen wollten.
Entschieden sich die Probanden dafür, sich das Bild früher anzusehen, wurde es ihnen lediglich für eine kurze Zeitspanne präsentiert. Entschieden sich die Teilnehmer dafür, länger auf die Darbietung des scharfen Bildes zu warten, durften sie es sich länger ansehen.
Den Männern wurde ausdrücklich gesagt, dass sie sich nicht insgesamt mehr Bilder ansehen oder die Studie früher beenden konnten, wenn sie sich dafür entschieden, die Bilder früher zu sehen.
Sexuelles Verlangen möchte schnell gestillt werden
Die Ergebnisse des Experiments zeigen, dass beide Versuchsgruppen gleichermaßen impulsiv reagierten und daran interessiert waren, sich das Bild in scharfer Version anzusehen.
Allerdings neigten die Männer, die das Testosteron-Gel erhielten, signifikant öfter dazu, sich das scharfe Bild früher und nur für eine kurze Zeitspanne anzusehen als die Männer in der Placebo-Gruppe.
Damit unterstreicht die Studie, dass Testosteron tatsächlich das Verlangen erhöht, schneller auf sexuelle Reize zu reagieren und somit sexuellen Impulsen eher nachzugehen.
Unklar, ob die Studienergebnisse allgemeingültig sind
Die Studienautor:innen betonen in ihrem Forschungsbericht, dass das Experiment lediglich mit erotischen Bildern durchgeführt wurde. Es gab keine Kontrollgruppe, der neutrale Bilder gezeigt wurden.
Dadurch ist unklar, ob der beobachtete Effekt spezifisch für sexuelle Kontexte gilt oder auch in anderen Bereichen auftritt. Weitere Studien sind notwendig, um das zu untersuchen.
Interessant wäre zu prüfen, ob ähnliche Ergebnisse bei Experimenten mit Frauen erzielt werden, da bisher nur Männer in der Studie untersucht wurden. Man könnte auch untersuchen, ob die Auswirkungen von Testosteron auf das sexuelle Verhalten bei homosexuellen Männern ähnlich oder anders sind als bei heterosexuellen Männern.
Die Auswirkung von Testosteron ist komplexer als gedacht
Die Psychologin und Sexualtherapeutin Kanusha Y.K. ist der Meinung, dass die Studie Mängel aufweist: „Die Beziehung zwischen Testosteron und unserem Sexualverhalten ist komplex. Um sie vollständig zu verstehen, sind tiefergehende Forschungen nötig.“
Sie betont, dass die Auswirkungen von Testosteron von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden können, wie zum Beispiel dem Ausgangslevel des Hormons (Testosteron vor der Verabreichung der Dosis), dem Alter und dem allgemeinen Gesundheitszustand der Person.
Darüber hinaus weist sie darauf hin, dass sich die Studie ausschließlich auf junge, gesunde Männer konzentrierte. Ältere Männer mit gesundheitlichen Problemen wurden nicht in die Studie miteinbezogen.
Außerdem sei der Testosteronspiegel von Männern auch von ihrer Persönlichkeit, ihrem sozialen Umfeld und anderen biologischen und umweltbedingten Faktoren abhängig, was zu Unterschieden im sexuellen Verhalten führen könne.
Die Studienergebnisse beziehen sich nicht auf alle Männer
„Testosteron wird im Allgemeinen mit Merkmalen wie Aggression, Dominanz, Risikobereitschaft und sexueller Aktivität in Verbindung gebracht. Studien haben gezeigt, dass Männer mit einem höheren Testosteronspiegel tendenziell wettbewerbsfähiger, durchsetzungsfähiger und selbstbewusster sind und eher zu körperlicher Aggression oder risikofreudigen Verhaltensweisen neigen“, erläutert Kanusha Y.K.
„Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Auswirkungen nicht auf alle Männer gleichermaßen zutreffen. Obwohl ein höherer Testosteronspiegel Männer in manchen Situationen selbstbewusster und wettbewerbsfähiger machen kann, kann er in anderen Zusammenhängen zu mehr Angst oder Aggression führen.“
Andere Faktoren wie die Erziehung, soziale Normen und persönliche Werte können laut der Psychologin ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Ausprägung des Verhaltens spielen.
„Testosteron mag zwar einen gewissen Einfluss auf das Verhalten von Männern haben – es ist aber nur einer von vielen Faktoren, die zum Verhalten beitragen.“
Der Beziehungsstatus macht einen Unterschied
„Die neuen Studienergebnisse weisen in mehrfacher Sicht Lücken auf. Wichtige Faktoren wie der Ausgangstestosteronspiegel und der Beziehungsstatus der Teilnehmer wurden nicht berücksichtigt”, so Kanusha Y.K.
Die Expertin betont, dass der Beziehungsstatus einen Einfluss auf die Studienergebnisse gehabt haben könnte.
„Studien haben gezeigt, dass Männer in festen Beziehungen in der Regel einen niedrigeren Testosteronspiegel haben als alleinstehende Männer oder Männer in ungebundenen Beziehungen. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass feste Beziehungen ein Gefühl von Stabilität vermitteln können, das das Bedürfnis nach impulsivem, hypersexuellem oder wettbewerbsorientiertem Verhalten verringern kann“, erzählt die Expertin.
„Ähnlich verhält es sich mit dem Ausgangstestosteronspiegel: Personen mit einem höheren Testosteronspiegel reagieren möglicherweise anders auf Veränderungen des Hormonspiegels als Personen mit einem niedrigeren Ausgangstestosteronspiegel.“
Ohne Berücksichtigung dieser Faktoren sei es daher schwierig zu sagen, wie die Ergebnisse der Studie auf andere Personengruppen oder Kontexte zutreffen würden.
Sexuelle Impulsivität kann komplex und vielschichtig sein
Sexuelle Impulsivität kann laut Kanusha Y.K. komplex und facettenreich sein. Und die Faktoren, die zusammenspielen, können von Person zu Person sehr unterschiedlich sein.
Neben dem Beziehungsstatus beeinflussen laut der Psychologin auch Faktoren wie die psychische Verfassung sowie soziale, kulturelle und umweltbedingte Faktoren unsere Verhaltensweisen.
„Personen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen wie Impulsivität oder mangelndem Einfühlungsvermögen neigen möglicherweise eher zu impulsivem Sexualverhalten. Auch psychische Zustände wie Hypersexualität, Drogenmissbrauch oder Sucht können zu sexueller Impulsivität beitragen“, führt die Sexualexpertin weiter aus.
„Zudem können soziale und kulturelle Faktoren wie sozialer Druck oder der Wunsch nach einem bestimmten sozialen Status sowie Umweltfaktoren wie sexuell explizite Medieninhalte zur sexuellen Impulsivität beitragen.“
Kanusha Y.K weist darauf hin, dass Männer in Beziehungen mit einem geringen Intimitäts- oder Bindungsniveau tendenziell eher zu impulsivem Sexualverhalten neigen als Männer in stabilen und glücklichen Beziehungen.
Das Thema scheint vielschichtiger zu sein als erwartet.
Wie geht man mit sexueller Impulsivität um?
Doch wie geht man am besten mit sexueller Impulsivität um? Kanusha Y.K. betont, dass der Umgang mit sexueller Impulsivität eine Herausforderung sein kann.
Es gibt jedoch einige Möglichkeiten, um diese Impulse zu kontrollieren:
- Eine achtsame Selbstwahrnehmung kann dabei helfen, die eigenen Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen bewusster wahrzunehmen und somit auch die Auslöser für sexuelle Triebe zu erkennen.
Dieses Bewusstsein für die eigenen Hintergründe kann dabei helfen, passende Methoden zur Selbstkontrolle zu finden. Achtsamkeitstechniken wie Meditation, Tiefenatmung und Yoga können hier sehr hilfreich sein. - Eine gesunde Beziehungsführung kann ebenfalls ein effektiver Weg sein, um sexuelle Impulsivität zu kontrollieren. Eine offene und ehrliche Kommunikation ist in jeder Beziehung wichtig, insbesondere wenn es um Probleme geht.
Das Festlegen von Grenzen und das Besprechen der eigenen Bedürfnisse kann dabei helfen, sexuelle Impulse in Schach zu halten. Eine klare und respektvolle Kommunikation kann auch dazu beitragen, das Vertrauen zwischen Partnern zu stärken und die Beziehung insgesamt zu verbessern. - Professionelle Hilfe durch Therapeut:innen oder Berater:innen kann ebenfalls hilfreich sein, um die Ursachen für das Verhalten zu identifizieren und geeignete Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Eine Therapie kann Betroffenen helfen, zugrunde liegende psychische Probleme aufzuarbeiten, die ihr Verhalten beeinflussen könnten.
Es ist wichtig zu beachten, dass es keine schnelle Lösung gibt und dass jeder Mensch individuell ist, weshalb es unterschiedliche Herangehensweisen geben kann.
Ab wann wird sexuelle Impulsivität kritisch?
Sexuelle Impulsivität kann kritisch werden, wenn sie das tägliche Leben beeinträchtigt oder man sich selbst oder anderen Schaden zufügt. Fachleute identifizieren kritisches Verhalten anhand der folgenden Kriterien:
- Unfähigkeit, sexuelle Triebe zu kontrollieren: Personen mit kritischer sexueller Impulsivität sind dauerhaft nicht in der Lage, ihre sexuellen Triebe zu kontrollieren, selbst wenn dies negative Folgen wie Beziehungsprobleme, rechtliche Fragen oder gesundheitliche Probleme nach sich zieht.
- Risikobereitschaft bei sexuellen Verhaltensweisen: Personen mit kritischer sexueller Impulsivität neigen dazu, riskante sexuelle Verhaltensweisen einzugehen, wie ungeschützten Sex, mehrere Sexualpartner:innen oder sexuelle Handlungen, die sie selbst oder andere in Gefahr bringen.
- Zwanghafte Gedanken und Verhaltensweisen: Personen mit kritischer sexueller Impulsivität leiden unter zwanghaften Gedanken und Verhaltensweisen in Bezug auf Sex. Sie verbringen möglicherweise übermäßig viel Zeit mit sexuellen Fantasien oder Aktivitäten und empfinden eine innere Unruhe, wenn sie diese Verhaltensweisen nicht ausüben können.
- Beeinträchtigung des täglichen Lebens: Sexuelle Impulsivität wird kritisch, wenn sie das tägliche Leben beeinträchtigt, wie z. B. die Arbeit, soziale Beziehungen oder persönliche Ziele. Sie kann zu finanziellen Problemen, rechtlichen Fragen und psychischen Problemen wie Depressionen und Angstzuständen führen.
Es ist wichtig, bei kritischer sexueller Impulsivität professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um negative Folgen zu minimieren und das tägliche Leben wieder in den Griff zu bekommen.
Fazit: Es gibt kein “richtiges” oder “falsches” Maß an sexueller Impulsivität
Die neue Studie weist darauf hin, dass der Testosteronspiegel einen Einfluss auf sexuelle Impulsivität haben kann. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass der Hormonspiegel nur ein Faktor von vielen ist und nicht allein für sexuelle Impulsivität verantwortlich gemacht werden kann.
Die Zusammenhänge sind komplex und es ist wesentlich zu berücksichtigen, dass zahlreiche andere Faktoren auch eine Rolle spielen können, darunter Persönlichkeitsmerkmale, psychische Zustände, soziale und kulturelle Faktoren sowie Umweltfaktoren.
Letztlich ist sexuelle Impulsivität ein normales menschliches Verhalten, das in einigen Fällen jedoch problematisch werden kann. Eine angemessene Selbstwahrnehmung und Selbstkontrolle, eine gesunde Beziehungsführung und gegebenenfalls professionelle Hilfe können dazu beitragen, sexuelle Impulsivität zu kontrollieren und mögliche negative Folgen zu vermeiden.