Studie zeigt mangelndes Wissen um die Risiken von Oralsex

Mehr als die Hälfte der Jugendlichen und jungen Erwachsenen unterschätzen die Gefahren

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Auf einen Blick

  • Unzureichende Aufklärung: Jugendliche und junge Erwachsene wissen laut Studie der Universität von Michigan nur unzureichend über Risiken ungeschützten Oralsex Bescheid. In Studien gaben weniger als zehn Prozent der Befragten an, beim letzten Oralsex einen Schutz verwendet zu haben.
  • Risikogruppe: Besonders Jugendliche und junge Erwachsene gehören zur Risikogruppe für sexuell übertragbare Krankheiten (STI), daher ist umfassende Aufklärung wichtig.
  • Verbreitung und Risiken: 85% der sexuell aktiven Erwachsenen in den USA hatten bereits Oralsex, wobei ungeschützter Oralsex zu verschiedenen Erkrankungen führen kann, einschließlich HPV und HIV.
  • HPV-Impfstoff: Ein Impfstoff gegen HPV-Infektionen ist verfügbar, jedoch sind die Durchimpfungsrate und die Studien zur Wirksamkeit gegen orale HPV-Infektionen begrenzt.
  • Verbesserungsbedarf: Studienergebnisse zeigen die Notwendigkeit von umfassender Sexualerziehung, inklusive der Risiken von ungeschütztem Oralsex, und einer besseren Darstellung von Schutzmaßnahmen in den Medien.

Oralsex ist eine Sexualpraktik, die längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Eine Studie der Universität von Michigan zeigt jedoch, dass Jugendliche und junge Erwachsene nur sehr unzureichend über die Risiken von ungeschütztem Oralsex Bescheid wissen.

Dabei gehören gerade Jugendliche und junge Erwachsene zur Risikogruppe sexuell übertragbarer Krankheiten (STI). Umso wichtiger ist es zu erforschen, wie sie zu den Gefahren und dem Schutz vor der Übertragung von STI über Oralsex stehen.

Zur Häufigkeit sexuell übertragbarer Infektionen

Trotz entsprechender Schutzmöglichkeiten bleiben sexuell übertragbare Krankheiten ein aktuelles Thema und sind mitunter sogar auf dem Vormarsch. So hat sich die Zahl der Syphilisfälle in Deutschland in den Jahren von 2001 bis 2019 vervierfacht. Häufig verursachen STI keine oder nur wenige Symptome und werden somit unwissentlich weitergegeben.

Da in Deutschland nicht alle STI einer Meldepflicht unterliegen, gibt es hierzulande etwa zu der Verbreitung von Gonorrhö (Tripper) und Chlamydien keine genauen Zahlen.

Nach Schätzungen geht man jedoch von etwa 300.000 jährlichen Neuansteckungen mit Chlamydien aus – gleichzeitig gibt nur jede:r fünfte Erwachsene an, die Erkrankung zu kennen. Nach Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sind besonders junge Menschen von der STI betroffen.

Die Verbreitung und Risiken von Oralsex

Eine Befragung in den USA ergab, dass 85 Prozent der sexuell aktiven Erwachsenen zwischen 18 und 44 bereits Oralsex hatten – bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 15 und 17 war es immerhin jede:r Dritte.

Gleichzeitig hat sich die Forschung zu sexuell übertragbaren Krankheiten bisher überwiegend auf die Prävention und Maßnahmen zur Verringerung der Übertragung durch Vaginalverkehr konzentriert. Im Gegensatz dazu kam die Übertragung durch andere Formen sexueller Aktivitäten – wie etwa Oralverkehr – eher kurz.

So gaben in einer Befragung nur acht Prozent der Frauen und neun Prozent der Männer an, beim letzten Oralsex ein Kondom verwendet zu haben.

Dabei können durch Oralsex unter anderem folgende Erkrankungen übertragen werden:

  • Herpes
  • Tripper
  • Chlamydien
  • Syphilis
  • HIV
  • humanes Papillomavirus, kurz HPV

Infektion mit dem humanen Papillomavirus (HPV) im Mund

Die Infektion mit dem humanen Papillomavirus (HPV) gehört zu einem der größten Risiken beim Oralsex, da das Virus hier ein oropharyngeales Plattenepithelkarzinom verursachen kann. Hierbei handelt es sich um eine Form von Krebs, welche die Mandeln, die Basis und das hintere Drittel der Zunge sowie den weichen Gaumen und die hintere und seitliche Rachenwand betrifft.

Während zu den Risikofaktoren für diese Krebsart unter anderem Tabak und Alkohol gehören, wird er auch immer häufiger durch HPV verursacht. Die Ursachen liegen unter anderem in der steigenden Anzahl an Sexualpartnern und dem häufigeren Praktizieren von Oralsex. Umso wichtiger ist es, mehr über das (Oral)-Sexverhalten Jugendlicher und junger Erwachsener zu erfahren.

Ein Impfstoff gegen alle HPV-Infektionen steht sowohl für junge Frauen als auch für Männer zur Verfügung. Er ist gegen die impfstoffähnlichen Stämme wirksam, aber die Durchimpfungsrate ist – besonders bei Männern – niedrig. Zur Bewertung der Wirksamkeit von HPV-Impfstoffen gegen orale HPV-Infektionen gibt es bisher nur begrenzte Studien.

Risikofaktoren für die orale Übertragung sexuell übertragbarer Krankheiten

Jüngere Leute sind im Allgemeinen besonders häufig von STI betroffen. In bisherigen Studien wurden hierfür unter anderem folgende Gründe festgestellt:

  • Geschlechtsverkehr in jüngerem Alter
  • mehrere Sexualpartner
  • fehlender Schutz
  • psychische Probleme
  • Drogenmissbrauch
  • eingeschränkter Zugang zur Gesundheitsversorgung

Hinzu kommt der kognitive Aspekt, da bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen die belohnungsempfindlichen Regionen des Gehirns noch stärker aktiv sind. Somit neigen sie eher zu sensationslüsternen Verhaltensweisen und zu Risikobereitschaft.

Ärzt:innen gelingt es laut den Forschenden häufig nicht, das riskante Sexualverhalten von Jugendlichen und das Risiko sexuell übertragbarer Krankheiten (STD) einzuschätzen. Gleichzeitig suchten Jugendliche und junge Erwachsene ohnehin schon seltener Gesundheitseinrichtungen auf, was zu niedrigeren Diagnose- und Behandlungsraten führe.

Wahrnehmung und Wirklichkeit von Oralsex

Eine Studie der Universität Granada aus dem Jahr 2019 stellte eine stärkere Korrelation zwischen dem Vorhandensein von Geschlechtskrankheiten und der Häufigkeit von Oralsex als der Häufigkeit von vaginalem Geschlechtsverkehr fest, merkt Melanie Cristol, Gründerin und CEO einer von der FDA freigegebenen Latexunterwäsche zum Schutz beim Oralsex an.

Gleichzeitig stellt sie fest: „Unsere kulturelle Assoziation mit Oralverkehr als einer minderwertigen Art von Sex hat uns daran gehindert, die damit verbundenen Risiken anzuerkennen“.

Zur Durchführung der Untersuchung

Forschende der Universität von Michigan befragten im März 2019 909 Personen im Alter von 14 bis 24 Jahren zu den Risiken von Oralsex. Durchgeführt wurde die Erhebung anhand des SMS-Befragungstools MyVoice.

Frage 1: Die Gründe für den mangelnden Schutz beim Oralsex

Zu Beginn der vorliegenden Untersuchung wurden die Befragten über eine kürzlich durchgeführte Studie informiert, welche gezeigt hatte, dass nur sehr wenige Jugendliche beim Oralverkehr Schutzmaßnahmen – also Kondome und Lecktücher – verwenden. Daraufhin wurden die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu den möglichen Gründen befragt.

Von mehr als jeder fünften befragten Person, und damit als häufigste Antwort, wurde die geringe oder fehlende Aufklärung angegeben. So handele es sich bei den Risiken von ungeschütztem Oralsex um ein Thema, über das sie nicht unterrichtet worden seien.

Als einen der Gründe für die Nichtverwendung von Kondomen gaben die Proband:innen außerdem mangelndes Vergnügen an. Diese seien unbequem, fühlten sich nicht gut an und schmeckten nicht gut: Ohne Kondom sei es angenehmer.

Teilweise lag der Fokus der Schutzmaßnahmen beim Sex außerdem vorwiegend auf der Vermeidung von Schwangerschaften.

Jede:r Zehnte nannte Schwierigkeiten beim Zugang zu einem entsprechenden Schutz als Grund. Als Ursache dafür gaben die Befragten Peinlichkeiten beim Kauf, unzureichende Geldmittel oder die Tatsache an, dass sie nicht wüssten, woher sie Kondome oder Lecktücher bekämen.

Wertete man die Ergebnisse getrennt nach Männern und Frauen aus, nannten Letztere im Vergleich häufiger einen Mangel an Bildung als Grund für den unzureichenden Schutz.

Frage 2: Die Einschätzung des Risikos von Oralverkehr

Die Teilnehmer:innen der Untersuchung wurden darum gebeten, die Risiken von Oralverkehr auf einer Skala von 1 bis 5 einzuschätzen, wobei eine „1“ für das geringste Risiko stand. 60 Prozent der Personen ordneten ungeschützten Oralsex eine 1, 2 oder 3 zu. Auffällig war, dass junge Frauen ihn fast doppelt so oft als gefährlich bezeichneten als junge Männer.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Jugendliche und junge Erwachsene nur unzureichend über die Risiken von ungeschütztem Oralverkehr informiert waren. Während viele Jugendliche und junge Erwachsene wussten, dass sich darüber sexuelle Krankheiten übertragen lassen, war nur wenigen die Schwere bewusst. Die Befragten nannten als Gründe unter anderem eine unzureichende Sexualerziehung und die Tabuisierung von Sex.

Jene, die Oralsex ein geringes Risiko zuordneten, konzentrierten sich vor allem auf das Risiko einer Schwangerschaft und argumentierten mit dem im Vergleich zum Vaginalverkehr geringeren Risiko der Übertragung einer Geschlechtskrankheit.

Die Macher:innen der Studie betonen dabei, dass es nicht nur um sexuell übertragbare Infektionen gehe, sondern auch um das Risiko, später im Leben an Krebs zu erkranken. „Jugendliche verdienen es, über die Risiken von Oralsex aufgeklärt zu werden“, so Tammy Chang, Direktorin von MyVoice und außerordentliche Professorin für Familienmedizin an der Michigan Medicine in einer Stellungnahme zur Studie.

„Wenn wir Jugendliche heute über die Risiken von Oralsex aufklären und Schutzmaßnahmen zugänglich und leicht anwendbar machen, können wir beginnen, die kulturellen Normen in Bezug auf Oralsex zu ändern und Leben zu retten“, so Chang weiter.

Frage 3: Welche Risiken wurden mit Oralsex in Verbindung gebracht?

Auf die Frage nach den Hauptrisiken bei ungeschütztem Oralverkehr gab – bei Männern wie Frauen gleichermaßen – die große Mehrheit der Befragten an, dass das größte Risiko in der Übertragung von Geschlechtskrankheiten liege. Interessant ist, dass mit etwas mehr als vier Prozent ein kleiner Prozentsatz der Jugendlichen eine ungewollte Schwangerschaft als Hauptrisiko nannte.

Jene Jugendliche, die ungeschützten Oralverkehr für nicht riskant hielten, begründeten dies unter anderem damit, dass man nicht schwanger werden könne und das Risiko einer Übertragung geringer sei, wenn man seinen Partner kenne. Außerdem sei die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung von Geschlechtskrankheiten durch Oralverkehr geringer.

Frage 4: Wie könnte für einen besseren Schutz beim Oralsex gesorgt werden?

Die Jugendlichen glaubten, dass Folgendes die Verwendung von Schutzmaßnahmen beim Oralsex erhöhen würde:

  • Umfassende Aufklärung (53,7 %)
  • Normalisierung in der Populärkultur und den Medien (19,1 %)
  • Besserer Zugang zu Schutz (15 %)
  • Bessere Schutzmöglichkeiten (10,5 %)

Stärken und Schwächen der Studie

Über die Befragung durch Textnachrichten konnten Jugendliche im ganzen Land erreicht werden und die Forschenden schnelle Antworten zu wichtigen Themen erhalten. Einschränkend muss jedoch gesagt werden, dass die identifizierten Themen nicht in derselben Tiefe untersucht werden konnten, wie es bei anderen Forschungsmethoden wie etwa in Fokusgruppen oder persönlichen Interviews der Fall gewesen wäre.

Nachholbedarf bei der Aufklärung

Während die Untersuchung sich auf Jugendliche konzentrierte, darf die Rolle nicht unterschätzt werden, welche Eltern und Erziehungspersonen bei der Herausbildung der sexuellen Normen von Jugendlichen spielen.

So deuten die Ergebnisse darauf hin, dass weiterhin ein Bedarf an umfassenderer und integrativer Sexualerziehung besteht, bei der die Risiken von ungeschütztem Oralverkehr und Schutzmethoden klar erläutert werden.

Unter anderem sollten zukünftige Studien die Barrieren erforschen, die zwischen Jugendlichen und Eltern sowie Lehrpersonen bei der Diskussion über den Schutz beim Oralverkehr bestehen können.

Die Darstellung von Sexualität in den Medien

Häufig wurde in der Studie von den Befragten bemängelt, dass in Film, Fernsehen, Online- und Populärkultur Schutzmaßnahmen im weiteren Sinne nicht ausreichend gezeigt würden.

Tatsächlich könnte die Darstellung von Sexualität in den Medien einen entscheidenden Einfluss auf deren Wahrnehmung haben. So hatte die American Academy of Pediatrics bereits 2001 befunden, dass diese einen entscheidenden Einfluss auf die Perspektive von Teenagern hatte. Damals nannten die Jugendlichen die Medien an zweiter Stelle, um Informationen über Sex zu erhalten – gleich hinter Sexualerziehung in der Schule.

Vor diesem Hintergrund argumentieren die Macher:innen der vorliegenden Studie, dass Diskussionen über das Thema nicht nur normalisiert, sondern sichere Sexualpraktiken in den populären Medien auch verstärkt dargestellt werden sollten.

Die Verbesserung von Schutzmaßnahmen

Neben der Erziehung und der Veränderung kultureller Normen sollte auch eine Verbesserung der bestehenden Verhütungsmethoden in Betracht gezogen werden.

So wurde von den Befragten sowohl die Reduktion der Befriedigung durch Kondome oder Lecktücher als auch der mit ihnen verbundene Geschmack als wenig angenehm beschrieben.

Vor allem im Hinblick auf Lecktücher liegen gegenwärtige Schwächen möglicherweise nicht nur in der Nutzererfahrung, sondern auch in der Wirkung. Da Lecktücher mit den Händen festgehalten werden müssten, könnten sie verrutschen, was wiederum zu einer Flüssigkeitsübertragung führen könne, führt Melanie Cristol, Gründerin von Lorals aus.

Spezielle hauchdünne Latexwäsche könne eine sichere Alternative zu Lecktüchern bieten. Diese sei deutlich angenehmer in der Handhabung, indem sie nicht verrutschen könne und man beinahe vergesse, dass man einen Schutz benutze. Außerdem müsste nicht darauf geachtet werden, die Lecktücher zwischen dem Cunnilingus und Anilingus auszutauschen, da das Latex beide Bereiche bedecke.

Die möglichen Konsequenzen aus der Studie

Mit der Studie hatten die Forschenden es sich zum Ziel gemacht, anhand einer aktuellen Stichprobe von Jugendlichen mehr über Oralsex und die damit verbundenen Risiken zu erfahren. Außerdem wollten sie erfahren, welche Hindernisse der Anwendung von Schutzmaßnahmen im Wege stehen.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die meisten Teenager und junge Erwachsene sich darauf konzentrierten, das Risiko einer Schwangerschaft zu unterbinden. Dabei unterschätzte mehr als die Hälfte die Gefahr das Risiko sexuell übertragbarer Krankheiten beim Oralsex. Die Befragten gaben dabei selbst an, dass es ihnen an entsprechenden Informationen mangelte.

Berücksichtigt man die Erfahrungen und Präferenzen von Jugendlichen, könnten wirksamere, jugendzentrierte Maßnahmen zur Verringerung der Übertragung von Geschlechtskrankheiten durch Oralverkehr entwickelt werden. Das Ziel ist dabei die erhöhte Nutzung von Schutzmaßnahmen und in der Folge die Senkung der Raten von STI-Übertragungen sowie HPV-bedingten Kopf- und Halskrebs.

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