Was ist ein G-Punkt und wie kannst Du ihn finden?
Gibt es ihn? Gibt es ihn nicht? Dafür, dass so viel darüber gesprochen wird, wissen viele erstaunlich wenig über den G-Punkt.
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Gibt es ihn? Gibt es ihn nicht? Dafür, dass so viel darüber gesprochen wird, wissen viele erstaunlich wenig über den G-Punkt.
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Der G-Punkt soll eine Region in der Vagina sein, die besonders empfänglich für sexuelle Stimulation ist. Obwohl an dem G-Punkt großes Interesse besteht, tauchen bei seiner Erforschung regelmäßig Widersprüche auf.
Einige Menschen mit Vagina berichten von seiner Existenz, andere halten ihn für einen Mythos. Bei uns erfährst du, was wir schon über den G-Punkt wissen und wie du dieses Wissen nutzen kannst. Dafür haben wir mit der Sexualtherapeutin Dr. Aliyah Moore und dem Gynäkologen Dr. Nisarg Patel gesprochen.
Allgemein wird angenommen, dass der G-Punkt an der Vorderseite der Vaginalwand liegt (Studie). Er befindet sich also im Inneren der Vagina und auf der Seite, die zum Bauchnabel zeigt. Auch wenn sich Wissenschaftler:innen darüber uneinig sind, weisen viele Studien und Erfahrungsberichte von Menschen mit Vagina auf diese grobe Verortung hin.
Der G-Punkt wurde nach Dr. Ernst Gräfenberg benannt, der ihn im Jahr 1950 erstmals in der medizinischen Literatur als eine „erogene Zone […] an der vorderen Vaginalwand entlang des Verlaufs der Harnröhre“ beschrieb. Die erogene Zone war aber schon deutlich früher bekannt, wie Quellen aus dem Indien des 7. Jahrhunderts nahelegen.
Obwohl es schade ist, dass ein meist weiblicher Körperteil nach einem Mann benannt wurde, sollten wir Gräfenberg zugutehalten, dass er den Punkt nicht selbst nach sich benannt hat und zudem für seine Zeit recht fortschrittliche Vorstellungen von der Sexualität von Menschen mit Vulva hatte.
Die Bezeichnung Gräfenberg-Punkt stammt aus einer wissenschaftlichen Veröffentlichung aus dem Jahr 1981, an der Gräfenberg nicht beteiligt war. Ein Jahr später wurde die Abkürzung G-Punkt zum ersten Mal verwendet.
In den Medien machte die Neuentdeckung schnell die Runde, obwohl es in der Wissenschaft zahlreiche kritische Stimmen gab, die an der Existenz des G-Punkts zweifelten.
Mittlerweile haben mehrere Studien Menschen mit Vagina gefragt, ob sie eine Stelle in ihrer Vagina kennen, die empfänglicher für sexuelle Stimulation als der Rest der Vagina. 62,9 Prozent bejahten diese Frage, allerdings verorteten sie den Punkt nicht alle an derselben Stelle.
Solche Befragungen sind jedoch unzuverlässig, weil Menschen suggestiv sind. Nach dem Kauf eines Autos oder Fahrrads etwa sieht man das Modell plötzlich überall, weil man jetzt darauf achtet. Weil bereits die Vorstellung eines G-Punkts existiert und die Menschen explizit danach gefragt werden, könnten sie ihn sich einbilden, dass auch sie eine erogene Zone in ihrer Vagina haben.
Das würde erklären, warum Untersuchte in einer Studie eher von einem G-Punkt berichteten, wenn sie einen hohen Bildungsgrad hatten: Wer gebildet ist, liest vermutlich mehr, hat daher eher schon einmal vom G-Punkt gehört und hat deshalb auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, ihn an sich selbst festzustellen.
Andere Studien haben sich auf die Untersuchung der Vagina konzentriert. Dabei wurde untersucht, ob eine Region in der Vagina besonders empfindlich auf Reize reagiert oder ob sie bei Stimulation anschwillt.
In manchen Studien wurde bei allen Proband:innen ein G-Punkt gefunden, bei anderen bei keiner einzigen untersuchten Person. Insgesamt wurde bei 55,4 Prozent der Untersuchten ein G-Punkt festgestellt.
Für eine Studie aus dem Jahr 2012 sezierte der Arzt Dr. Adam Ostrzenski eine Leiche mit Vagina und identifizierte den G-Punkt als einen „Beutel“ mit erektilem Gewebe an der Vaginalwand. Er publizierte Wiederholungen des Versuchs im März 2014 mit acht Leichen und im September 2014 mit elf Leichen und fand bei jeder eine Struktur, die er als G-Punkt bezeichnete.
2017 wurde der Versuch von anderen Wissenschaftler:innen an 13 Leichen wiederholt, die Struktur wurde dieses Mal aber bei keiner einzigen gefunden.
Die Forscher:innen Beverly Whipple und Barry Komisaruk dagegen haben die G-Punkt-Theorie in einem Experiment untermauert, in welchem sie Patient:innen mit beschädigtem Rückenmark untersuchten, die kein Gespür mehr in der Klitoriseichel hatten. Diese Patient:innen konnten durch vaginale Stimulation immer noch einen Orgasmus erreichen.
Diese Ergebnisse widersprechen einander, weshalb wir nicht sicher sein können, ob es tatsächlich eine bestimmte Stelle in der Vagina gibt, die wir als G-Punkt bezeichnen können.
Die meisten Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass der G-Punkt kein Bestandteil der Vagina ist, sondern dass an dieser Stelle die Klitoris von innen stimuliert wird. Um diese Theorie nachvollziehen zu können, hilft ein Blick auf die Anatomie der Klitoris.
Oft wird der etwa erbsengroße Körperteil oberhalb der Harnröhrenöffnung als Klitoris bezeichnet. Dabei handelt es sich allerdings nur um die Klitoriseichel. Wie bei einem Eisberg kann man den größeren Teil der Klitoris nicht von außen sehen.
Von der Klitoriseichel macht sie im Körperinneren einen Bogen nach oben und teilt sich dann in zwei Schenkel, die sich um die Harnröhre und Vagina schlingen und parallel zu den Vulvalippen verlaufen. Insgesamt erreicht die Klitoris eine Länge von neun bis elf Zentimetern.
Über die meisten Nervenenden verfügt die Klitoriseichel, doch auch der Rest der Klitoris ist sehr empfänglich für Stimulierung. Die Theorie der meisten Wissenschaftler:innen lautet, dass die Klitoris bei vaginaler Penetration an der Stelle stimuliert wird, wo sie mit der Vagina in Kontakt kommt.
Andere gehen davon aus, dass man den G-Punkt nicht nur in einem Körperteil suchen sollte. Stattdessen gehen sie davon aus, dass beim Sex und der Masturbation das Netzwerk aus Klitoris, Harnröhre und Vagina stimuliert wird. Dieses Netzwerk wird klitourethrovaginaler Komplex genannt.
Weil der G-Punkt seit weniger als 100 Jahren erforscht wird, ist es nicht verwunderlich, dass wir noch keine abschließende Antwort auf die Frage gefunden haben, wo er liegt und worum es sich dabei handelt. Doch obwohl wir nicht alles über ihn wissen, können wir mit unserem bisherigen Kenntnisstand auf die Suche nach ihm gehen.
Der G-Punkt befindet sich bei den meisten Menschen in der Vagina, einige Zentimeter von der Vaginalöffnung entfernt an der Vorderseite. Wo genau er liegt, unterscheidet sich von Person zu Person. Die meisten können ihn jedoch mit den Fingern erreichen.
Wie du ihn bei dir finden kannst, erklärt Dr. Moore:
Falls du bisher keine Erfahrung mit Masturbation gemacht hast, solltest du etwas Gleitgel auf deinen Finger geben. So verhinderst du, dass er eine unangenehme Reibung in deiner Vagina erzeugt.
Es kann außerdem passieren, dass du plötzlich auf Klo musst, während du deine Vagina erkundest. Das ist vollkommen normal, weil sich die Harnröhre direkt neben der Vagina befindet und du versehentlich deine Blase stimulieren kannst.
Bei manchen Menschen liegt der G-Punkt so tief in der Vagina, dass sie mit den Fingern nicht rankommen. Es gibt zum Glück Sexspielzeuge, die speziell dafür entworfen wurden, den G-Punkt zu treffen.
Es kann allerdings auch sein, dass du bei deiner Suche auf keinen Punkt stößt, der sich anders anfühlt als der Rest der Vagina. Das ist bei vielen Menschen der Fall und bedeutet nicht, dass du keinen guten Sex haben kannst.
Dass wir zwischen klitoralen und vaginalen Orgasmen unterscheiden, ist Ausdruck einer langen Tradition der Unterdrückung weiblicher Sexualität. Der bekannteste Vertreter dieser Tradition ist Sigmund Freud.
Er ging davon aus, dass der klitorale Orgasmus Ausdruck kindlicher Sexualität sei und nur „reife Frauen“ einen vaginalen Orgasmus erleben könnten. In Wirklichkeit können gerade einmal 18,4 Prozent der Menschen mit Vagina allein durch vaginale Penetration zum Orgasmus kommen.
Falls der G-Punkt tatsächlich ein Teil der Klitoris ist, könnte man sogar argumentieren, dass es einen vaginalen Orgasmus überhaupt nicht gibt. Trotzdem haben sich die Theorien von Freud und vielen anderen „Denkern“ bis heute in der Vorstellung manifestiert, dass nur vaginale Penetration echter Sex ist.
Viele Menschen mit Vagina berichten allerdings, dass sich ein Orgasmus bei vaginaler Penetration anders anfühlt, als wenn nur die Klitoriseichel stimuliert wird. Während ein klitoraler Orgasmus von vielen als lokalisiert und intensiv beschrieben wird, sollen vaginale Orgasmen stärker und langanhaltender sein und im ganzen Körper pochende Gefühle auslösen.
Dass sich diese Empfindungen aber von Mensch zu Mensch unterscheiden können, betont Dr. Patel: „Bei sexueller Lust gibt es nicht eine Lösung, die für alle funktioniert. […] Statt sich auf eine erogene Zone zu konzentrieren, ist ein ganzheitlicher Ansatz empfehlenswert, der sowohl den G-Punkt als auch die Klitoris berücksichtigt.“
G-Shots oder G-Punkt-Aufspritzungen sind ein Trend in der Schönheitschirurgie, bei dem Hyaluronsäure, Kollagen, Eigenfett oder mit Thrombozyten angereichertes Blut in den G-Punkt gespritzt werden.
Dadurch soll sich die Oberfläche des G-Punkts vergrößern und seine Empfindlichkeit gesteigert werden. Dass das tatsächlich funktioniert, konnte bisher aber nicht nachgewiesen werden.
Es gibt zwar Berichte von Menschen mit Vagina, die nach diesen Shots bessere Orgasmen oder mehr Empfindungen am G-Punkt hatten. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass der Placeboeffekt dafür verantwortlich ist.
Deshalb raten Organisation wie die International Society for the Study of Vulvovaginal Disease oder das American College of Obstetricians and Gynaecologists von dem Eingriff ab.
Ebenso äußert sich Dr. Patel: „Dieser Eingriff sollte gut überlegt sein. Die Wirksamkeit und Sicherheit von G-Shots werden noch von Mediziner:innen diskutiert. Aktuell gibt es zu wenige wissenschaftliche Beweise, um seine Anwendung zu rechtfertigen.
Bevor man diesen invasiven Eingriff in Erwägung zieht, empfehle ich einen Termin bei einem/einer Mediziner:in, um die potenziellen Risiken und Vorteile zu besprechen.“
Wenn du weißt, dass die Berührung des G-Punkts für dich angenehm ist, kannst du beim Sex Positionen ausprobieren, bei denen der Penis oder Strap-on die vordere Vaginalwand berührt. Dr. Moore hat uns vier Stellungen verraten, die genau das tun:
Die empfangende Person begibt sich auf alle viere, während die penetrierende Person von hinten in die Vagina eindringt. Dieser Winkel lässt eine tiefe Penetration zu und zielt auf eine Berührung des G-Punkts ab.
Die empfangende Person nimmt die Zügel in die Hand und setzt sich so auf die penetrierende Person, dass sich beide in die Augen schauen können. Jetzt geht es darum, den perfekten Winkel und die richtige Tiefe zu finden, um den G-Punkt zu treffen.
Die empfangende Person legt ein Kissen unter ihre Hüften, um den Penetrationswinkel zu verändern. So kann man den G-Punkt präziser ansteuern. Hier findest du noch weitere Tipps für die Missionarsstellung.
Beide Partner:innen liegen auf der Seite, die empfangende Person liegt dabei mit dem Rücken an der Brust der anderen Person. Die penetrierende Person dringt von hinten ein und der G-Punkt wird mit einer schaukelnden oder ruckelnden Bewegung stimuliert.
Sex muss allerdings nicht zwangsläufig mit einer Penetration einhergehen. Ob dein:e Partner:in einen Penis hat oder nicht – ihr könnt den Sex auch mit euren Händen, Mündern und Sextoys gestalten. Berichte deinem/deiner Partner:in davon, wie du deinen G-Punkt gefunden hast, damit er/sie weiß, wo die Reise hingehen soll.
Die Anleitung zum Finden des eigenen G-Punkts hat dir schon erste Hinweise gegeben. Wenn du selbst eine Vagina hast, denke daran, dass jede Vagina und Vulva anders ist und dass dein Gegenüber nicht zwangsläufig dasselbe mag wie du.
Wenn du einen Penis hast, denke daran, dass die Vagina kein eingestülpter Penis ist. Das klingt banal, man vergisst aber leicht, dass Penis und Vagina sehr unterschiedlich auf dieselben Bewegungen und Reize reagieren. Was dir gefällt, lässt dein Gegenüber eventuell vollkommen kalt oder ist vielleicht sogar unangenehm.
Dr. Patel rät dir deshalb, auf gute Kommunikation zu setzen: „Führe vor dem Sex ein offenes und ehrliches Gespräch mit deinem/deiner Partner:in über Wünsche, Grenzen und Erwartungen. Ermutige deine:n Partner:in dazu, dich anzuleiten und dir währenddessen Feedback zu geben.
Wenn du Hand anlegst, drücke nur leicht auf und erhöhe den Druck, falls dein:e Partner:in darum bittet. Du triffst den Punkt am ehesten, wenn du mit deinen Fingern eine Komm-Her-Bewegung gegen die Vaginalwand machst. Sei dabei geduldig, aufmerksam und anpassungsfähig.“
Wenn dein:e Partner:in einverstanden ist, rät Dr. Moore dazu, Sexspielzeuge auszuprobieren, um den G-Punkt zu stimulieren.
Dass die vielen Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, mag daran liegen, dass Körper keine Maschinen mit Knöpfen sind. Stattdessen hat jeder Mensch seine eigenen Vorlieben und Abneigungen. Nicht jeder Mensch mit Vagina hat einen G-Punkt oder empfindet dessen Berührung als angenehm – trotzdem kann man ein erfülltes Sexleben haben.
Wenn du dich auf die Suche nach deinem G-Punkt begibst, betrachte ihn wie Streusel: Die machen einen Nachtisch vielleicht ein bisschen aufregender, spielen aber nicht die Hauptrolle. Die Hauptrolle beim Sex spielen nicht einzelne Körperteile, denn befriedigender Sex ist ein Zusammenspiel aus Nähe, körperlichen Berührungen, Hormonen und Kommunikation.
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