Alles, was Du über den Zölibat und Sex wissen musst

Kommt ein keusches Leben auch für Dich infrage?

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Porno-Plattformen boomen, im Alter von 17 Jahren hat bereits mehr als die Hälfte aller Jugendlichen sexuelle Erfahrungen gemacht und viele Menschen trauen sich heutzutage, ihre erotischen Fantasien oder Fetische frei auszuleben.

Es gibt aber auch Menschen, die sich bewusst für ein Leben ohne Partnerschaft und Geschlechtsverkehr entscheiden und dies auch vor sich selbst und/oder einer Institution wie der Kirche hoch und heilig versprechen. Dies wird auch Zölibat genannt. Was genau sich dahinter verbirgt und ob dieser enthaltsame Lebensstil vielleicht auch Deinen persönlichen Wünschen entspricht, klären wir in diesem Artikel.

Was bedeutet Zölibat?

Das Wort “Zölibat” stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie “ehelos” oder “allein”. Der Zölibat ist vor allem in der katholischen Kirche bekannt und meint hier, dass etwa ein Priester oder eine Nonne im Rahmen eines Gelübdes verspricht, fortan allein Jesus Christus nachzufolgen, rein und keusch zu leben und nicht zu heiraten, keinen Sex zu haben sowie keine Kinder zu bekommen/zu zeugen.

Der Zölibat ist aber auch anderen Religionen nicht fremd. So leben etwa tibetanische Mönche teilweise abstinent. In der Antike mussten beispielsweise die Priesterinnen der Vesta jeglichem sexuellen Verlangen entsagen.

Auf informelle Weise kann zudem jeder Mensch für sich selbst entscheiden, zölibatär zu leben. Dies würde jedoch eher als Abstinenz bezeichnet werden, da nicht unbedingt religiöse Gründe und/oder eine Verbindung zur Kirche dahinterstecken, der Begriff “Zölibat” jedoch stark damit zusammenhängt.

Der Verzicht auf Sex und die Ehe kann also auch einfach eine ganz persönliche Entscheidung sein.

Wie entstand der Zölibat?

Überraschenderweise ist der Zölibat keine Regel aus der Bibel. Vielmehr ist er ein von “Bischöfen gemachtes Kirchengesetz”, siehe Can. 599 CIC. Grund hierfür soll vor allem die Tatsache sein, dass Jesus selbst nicht verheiratet war und “um des Himmelreiches Willen” lebte.

So entwickelte sich dieses Gesetz der katholischen Kirche:

  • Zunächst durften auch Priester heiraten, denn selbst in der Bibel ist kein Eheverbot zu finden. Tatsächlich waren viele Jünger Jesu verheiratet, sogar der erste Papst, Petrus.
  • In der Synode von Elvira im Jahre 306 war zum ersten Mal die Rede davon, dass verheiratete Priester keinen Sex mehr mit ihren Ehefrauen haben sollten. Allerdings wurde dies nicht weltweit anerkannt und viele Geistliche hielten sich auch nicht an diese Regelung.
  • Im Jahre 1139 wurde der Zölibat dann unter Papst Innozenz II. zur Pflicht (2. Lateran-Konzil). Bestehende Ehen wurde daraufhin für ungültig erklärt. Allerdings hielten sich viele Priester und sogar Päpste wieder nicht wirklich an diese Verpflichtung, sondern zeugten munter weiter Kinder. Gerade dies stellte ein Problem für die Kirche dar, denn nach dem Tod des jeweiligen Geistlichen wurde dessen Besitz an seine Söhne weitervererbt. Wer kinderlos blieb, vermachte sein Vermögen dahingegen automatisch der Kirche. Viele Experten sehen darin den wahren Grund des Zölibats und nicht die unbedingte Liebe zu Gott oder die Nachfolge Christi.
  • Seit 1917 ist der Zölibat im Codex Iuris Canonici kirchenrechtlich festgehalten.

Sind Zölibat, Keuschheit und Abstinenz das Gleiche?

Die Begriffe sind ähnlich und stehen miteinander in Verbindung, bedeuten jedoch nicht komplett das Gleiche. Der Zölibat ist – wie oben bereits erwähnt – ein Gesetz, welches beispielsweise katholische Nonnen dazu auffordert, ein Gelübde abzulegen, durch welches sie sich zu Keuschheit und Abstinenz verpflichten. Der Zölibat ist also eine Art Oberbegriff bzw. beschreibt die Regel, welcher sich ein Mensch unterwirft.

Abstinenz, oder auch Enthaltsamkeit, kann sich auf Sex beziehen. Allerdings kann ein Mensch auch entscheiden, dass er auf Alkohol, Drogen, Süßigkeiten, Fleisch, Zigaretten oder andere Genussmittel komplett verzichtet oder sie nur in geringen Maßen konsumiert.

Keuschheit bezieht sich wiederum darauf, ein sittsames, sexuell reines Leben zu führen. Hierzu zählt etwa das berühmte Gebot, dass Sex vor der Ehe nicht in Ordnung ist. Außerdem verstößt Ehebruch gegen den Keuschheitsgedanken. Letztlich soll eine Person, die sich für ein keusches Leben entscheidet, auch erotische Gedanken und ihre Libido im Zaum halten.

Durch den Zölibat verpflichten sich also etwa Kleriker der katholischen Kirche (Diakone, Priester, Bischöfe) zu einem enthaltsamen und keuschen Lebensstil. Allerdings kommt auch die Verpflichtung zur Ehelosigkeit hinzu. Abstinenz und Keuschheit sind also nur zwei Bestandteile des Zölibats. Zudem dürfen beispielsweise katholische Priester Alkohol trinken. Es kommt durch den Zölibat also nicht zu einer kompletten Abstinenz von allen weltlichen Genüssen.

Letztlich überschneiden sich die Begriffe also nur und bedeuten nicht für jeden Menschen und in jeder Situation das Gleiche.

Sind Menschen, die zölibatär leben, gleichzeitig auch asexuell?

Nicht unbedingt. Menschen, die zölibatär leben, können allosexuell oder asexuell sein. Die Entscheidung, ehe- und sexlos zu leben, hat also nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun. Diese kann man sich nämlich üblicherweise nicht aussuchen, einen zölibatären Lebensstil aber schon.

Warum leben manche Menschen zölibatär?

  • Viele Menschen, die aus religiösen Gründen zölibatär leben, tun dies, weil sie sich so komplett ihrem Glauben und Gott widmen können
  • Einige Personen, die keiner Religion angehören, aber ebenfalls ohne Sex und Partnerschaft leben, fühlen, dass sie sich so besser weiterentwickeln und eine höhere spirituelle Stufe erreichen können
  • Manche Menschen sind auch asexuell, verspüren also keinerlei sexuelle Erregung oder Lust auf Sex
  • Andere Menschen scheuen aus psychologischen Gründen körperliche Nähe, etwa weil sie eine Angststörung haben oder aufgrund von traumatischen Ereignissen in ihrer Kindheit
  • Auch körperliche Beschwerden wie etwa eine Ganzkörperlähmung oder eine sexuell übertragbare Krankheit können zu der Entscheidung führen, Sex zu entsagen. Allerdings ist dies zumeist unfreiwillig
  • Falls eine Sexsucht oder Pornosucht vorliegt, kann ein keusches Leben einen Weg aus der Sucht heraus darstellen. Hierzu braucht es jedoch einen sehr starken Willen.

Fällt es nicht unendlich schwer, ohne Sex zu leben?

Gerade, wenn Du Sex liebst, gerne verschiedene Dinge wie Deep Throat Blowjobs, Tantra, anale Stimulation oder Bondage ausprobierst und Du einfach generell sehr sexpositiv eingestellt bist, fällt es Dir sicherlich schwer, zu glauben, dass ein Mensch ohne Sex und/oder Partnerschaft auskommen kann.

Tatsächlich schaffen dies jedoch viele Menschen, und sie fühlen sich durch den Zölibat keineswegs eingeschränkt oder unglücklich. “Also manchmal ist es ein Verzicht und es ist auch nicht so leicht, aber ist das wirklich alles?”, fragt Schwester Hanne-Maria mit einem Schmunzeln auf den Lippen.

Die junge Nonne, die bereits seit einigen Jahren im Vinzentinerinnen-Kloster in Untermarchtal lebt, hat sich trotz eines abgeschlossenen Wirtschaftsstudiums bewusst für ein Leben ohne Sex und Ehe entschieden.

“Also nur, weil mir jemand körperlich nah ist, heißt das noch lange nichts von der Qualität dieser Nähe und ob das jetzt wirklich mich irgendwie erfüllt. Ich finde, das Wahre kommt so von innen und aus sich selbst heraus und von Gott. Das kann kein Mensch. Die letzte Sehnsucht kann kein Mensch stillen.”

Ähnlich wie Schwester Hanne-Maria hatte sich auch der Schweizer Priester Marcel Köhle für ein Leben ohne Ehe und Sex entschieden. Der katholische Pfarrer trat vor einigen Jahren seinen Dienst in der Gemeinde Brigels an und war dort äußerst beliebt, da er frischen Wind in die Kirche brachte. Umso schockierter waren die Gemeindemitglieder, als der junge Priester 2018 nach der Sonntagsmesse verkündete, dass er sein Amt aufgeben werde. Dies tat er aus Liebe zu seiner Freundin.

Ein wirkliches Dilemma, denn die Gemeinde hätte Marcel Köhle mit Kusshand gerne weiterhin beschäftigt. Aufgrund des strengen Zölibats der katholischen Kirche war und ist das Priesteramt jedoch nicht mit einer weltlichen Partnerschaft vereinbar. Der Pfarrer musste mithin eine Entscheidung treffen.

Du siehst also, dass es für keinen Menschen immer leicht ist, sich an den Zölibat zu halten. Allerdings kommt es sehr auf die eigene Persönlichkeit an und darauf, was einem im Leben besonders wichtig ist. Ist spirituelle Erfüllung eines der wichtigsten persönlichen Ziele, wie es etwa bei Schwester Hanne-Maria der Fall ist, so ist es sicherlich möglich, ein glückliches Leben ohne Sex und Partnerschaft zu führen.

Sind auch Dinge wie Masturbation, Kuscheln etc. verboten?

An dieser Frage scheiden sich jedenfalls in der katholischen Kirche die Geister. “Selbstbefriedigung ist tatsächlich in der katholischen Kirche etwas schwierig”, erklärt Pfarrer Maik.

“Der neuere Katechismus sagt, dass das keine schwere Sünde ist, erst recht nicht, wenn das aus einer Gewohnheit heraus geschieht, was immer das heißt, habe ich nie so ganz verstanden.

Aber es wird als Sünde betrachtet, ja, und von daher gilt das für alle und auch für Priester, aber es gibt jetzt keine expliziten Verbote für Priester, wie für andere Menschen auch. Natürlich, im Rahmen des Zölibats soll das nicht passieren, aber es ist keine Todsünde.”

Wenn Du für Dich selbst entscheidest, zölibatär zu leben, Dir also keine Institution wie die Kirche vorgibt, was Zölibat genau bedeutet, dann kannst Du selbstverständlich für Dich selbst entscheiden, wie streng Du es mit der Abstinenz halten möchtest. Du kannst beispielsweise von penetrativem Sex Abstand nehmen und auch Analsex entsagen, Dir Selbstbefriedigung jedoch durchaus erlauben.

Was sind die Vorteile eines keuschen Lebens?

  • Falls Du nach dem Sinn des Lebens suchst, kann ein keuscher Lebensstil Dir helfen, Dich persönlich und spirituell weiterzuentwickeln
  • Du kannst Deinen Partner/Deine Partnerin auf einer nicht-sexuellen Ebene kennenlernen
  • Finde heraus, was der Unterschied zwischen sexueller Anziehung und romantischer Präferenz ist
  • Du kannst an Deine Grenzen gehen und herausfinden, wie stark Du bist, wie gut Du Dich kontrollieren kannst
  • Durch eine zumindest temporäre Abstinenz kannst Du Dich auf Dinge konzentrieren, die Dir gerade wichtiger sind, beispielsweise auf Freunde, Familie, Deine Karriere oder Prüfungen
  • Du kannst Dich im Normalfall nicht mit sexuell übertragbaren Krankheiten anstecken, es sei denn, Du erlaubst Dir weiterhin Praktiken wie Oralsex oder Scissoring
  • Auch eine ungewollte Schwangerschaft ist unwahrscheinlich
  • Du musst kein Geld mehr für Verhütungsmittel wie die Pille oder Kondome ausgeben

Was spricht gegen den Zölibat?

  • Du könntest Dich von einem weltlichen Leben so weit entfernen, dass später (erotische) Beziehungen zu anderen Menschen nicht mehr möglich sind
  • Dein Partner/Deine Partnerin könnte Dich verlassen, wenn Du ihm/ihr erklärst, dass Du fortan auf Sex verzichten wirst
  • Aus den gleichen Gründen könnte es mit der Partnersuche sehr schwer werden
  • Wenn Du Dich hundertprozentig dem Zölibat unterwerfen willst, dann musst Du auf eine Heirat, Kinder und Partnerschaft verzichten. Diese Dinge sind jedoch in unserer Gesellschaft sehr stark verankert, sodass der Verzicht nicht leicht werden wird. Später könntest Du ihn sogar bereuen
  • Du könntest Dich nach einiger Zeit sehr isoliert und allein fühlen
  • Viele Menschen, auch solche, die Dir nahestehen, könnten Deine Entscheidung anzweifeln oder sie nicht verstehen, sodass Du Dich ständig erklären musst

Fazit – Ist ein zölibatärer Lebensstil eine Überlegung wert?

Ein Leben ganz ohne Sex, Orgasmen und erotische Gedanken – das hört sich erst einmal sehr extrem an. Wie immer kommt es jedoch auf die persönlichen Wünsche an. Für einige Menschen, die ihr Seelenheil in der Spiritualität oder religiösen Hingabe suchen, mag dieser Lebensstil durchaus stimmig sein. W

enn Du also das Gefühl hast, dass der Zölibat auch für Dich geeignet wäre, dann ist das vollkommen ok, bedenke jedoch, dass Du hierdurch Deinen Liebsten/Deine Liebste bzw. zukünftige PartnerInnen verschrecken könntest.

Je nachdem, wie Du Dein enthaltsames Leben gestaltest, musst Du vielleicht komplett auf Partnerschaften und Kinder verzichten. Kannst Du das? Zudem weicht ein zölibatärer Lebensstil stark von der gesellschaftlichen Norm ab, sodass Du Dich sicherlich vielen Fragen wirst stellen müssen. Dies sollte Dich jedoch nicht davon abhalten, auf Dein Herz zu hören… und nicht auf Deine Libido.

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